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Firma "Möbel Kunert" aus Halle  Firma "Möbel Kunert" aus Halle : Möbel-Dynastie seit Kaisers Zeiten

Von Detlef Färber 15.10.2015, 13:08
Firmengründer mit erstem Laster
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Halle (Saale) - Wie würde sich so eine Geschichte anderswo lesen? Anderswo als im deutschen Osten! Sie könnte zum Beispiel die Festschrift zur 125-Jahrfeier eines Möbelhauses sein, das längst zur Möbelhauskette expandieren konnte. Doch derlei war nicht möglich in Städten des Ostens - und deshalb ist es immer schon ein Grund zur Freude und zum Staunen, wenn überhaupt mal von einer derart langen Unternehmensgeschichte zu berichten ist. Von einer wie der der halleschen Firma „Möbel Kunert“.

Firmenstart zu Kaiser Wilhelms Zeiten

In vierter Generation führen Ute und Thomas Kunert das Geschäft, das es gerade dieser Tage mal wieder schwer hat. So wie es der Laden als privater Kommissionshandel zu DDR-Zeiten immer schwer hatte, als er sich auf Couchgarnitur-Möbel spezialisiert hatte: spezialisieren musste. Und nun liegt der Laden ganz oben in der Großen Steinstraße mitten in der großen Steintor-Baustelle. Gerade werden im Tiefbau alte, zuweilen uralte Leitungen und Rohre zutage gefördert. Rohre, die noch aus jener Zeit stammen, als ein gewisser August Kunert in Halle mit der Produktion von Objektmöbeln begann. Thomas Kunerts Urgroßvater war Tischler und zauberte auch einige jener Laden- und Apothekeneinrichtungen, die jeder, der sie heutzutage mal noch irgendwo zu sehen kriegt, wie ein Kunstwerk bewundert.

Es war zu Kaiser Wilhelms Zeiten - die Jahreszahl begann auf jeden Fall noch mit 18. Aber genauer hat es Thomas Kunert nicht rausgekriegt, wann sein Vorfahr in dem längst abgerissenen Viertel am Händelhaus seine Werkstatt eröffnet hat. Jene Werkstatt, deren wirtschaftlicher Erfolg ihn später zu einem der frühesten Automobil-Besitzer Halles hat werden lassen, wie es das vielleicht wertvollste Foto der Firmengeschichte (zirka aus dem Jahr 1910) ahnen lässt.

Wirtschaftlich und politisch schwierige Zeiten

Nicht sicher ist, ob Kunerts Großvater Erich den urgroßväterlichen Betrieb fortgeführt oder sich parallel dazu selbstständig gemacht hat. Vielleicht stimmt sogar beides. Allerdings ist Großvater Erich (Jahrgang 1900) die Weltgeschichte dann böse in die Parade gefahren. Denn der Tischlermeister war SPD-Mitglied und ist in der Hitlerzeit  - wie Enkel Thomas sagt - „nur knapp am KZ vorbeigeschrammt“. Doch dass er nach Leuna dienstverpflichtet wurde, bedeutete dann das - vorläufige - Ende seines Unternehmens. Und es sollte noch schlimmer kommen: Als 45-Jähriger musste er noch in den Zweiten Weltkrieg ziehen.

Danach war Schluss mit Tischlerei und es ging erstmal mit Haushaltwaren und wenig später mit Möbelhandel weiter: zunächst unweit vom heutigen Standort, am Stadtbad. Kunerts Vater Harald übernahm, starb früh und seine Mutter Christa - inzwischen 87 Jahre alt und gelegentlich immer noch im Laden mit aktiv - führte das Geschäft durch die wirtschaftlich und politisch so schwierige Zeit von 1971 bis 1986.

Mythos Sofa

Dann übernahm der nun 61-jährige Thomas Kunert. Und vier Jahre später wurden die Zeiten für den Laden noch härter, als die großen Möbelhausketten in den Ost-Markt drängten. Doch Kunerts alte Spezialisierung auf Polstermöbel half dabei, sich zu behaupten. Und eine sehr nüchterne und kluge Marktanalyse. Denn Kunerts wetteifern nicht etwa mit um den Ruf, die avantgardistischste Designercouch zu verkaufen - im Gegenteil. „Möbel Kunert“ hält den Mythos Sofa hoch: Sofa als Bequemlichkeitsluxus der kleinen Leute, der sich allmählich sogar bis zur Sofa-Gruppe ausgewachsen hat.

Doch diesen kleinen Luxus in ebenso kleinen Wohnungen zu realisieren, dazu - so weiß Kunert - bedarf es besonderer Möbel. Kleiner und funktionaler Sessel und Sofas, die genau abgestimmt sind auf die Bedürfnisse seiner doch schon älteren Klientel - und eigens für sie produziert. Für Leute und Bedürfnisse also, die man genau kennen muss. So, wie Kunert und diese Möbel-Dynastie (Verwandte namens Kunert haben ein Möbelgeschäft in Querfurt) ihre Kundschaft oft schon seit Generationen kennen. Und für diese Kunden wollen Kunerts auch noch lange da sein. (mz)

Das Möbelgeschäft in der Großen Steinstraße, das derzeit umgeben ist von der Steintor-Großbaustelle.
Das Möbelgeschäft in der Großen Steinstraße, das derzeit umgeben ist von der Steintor-Großbaustelle.
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Ute und Thomas Kunert in ihrem Geschäft in der Großen Steinstraße
Ute und Thomas Kunert in ihrem Geschäft in der Großen Steinstraße
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Ein Werbe-Kalender aus den 1950er Jahren.
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