1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Festival «West-östlicher Diwan»: Festival «West-östlicher Diwan»: Vorgestreckte Arme werden zum Symbol

EIL

Festival «West-östlicher Diwan» Festival «West-östlicher Diwan»: Vorgestreckte Arme werden zum Symbol

Von Simone Voigtländer 14.05.2003, 19:38

Halle/MZ. - Was folgte war für jeden Einzelnen eine Mischung aus Hörspiel und simulierter Blindheit. Schritte, die sich nähern und entfernen, Düfte, ein Lufthauch, und dazu die Unsicherheit, etwas verpasst zu haben. Auf diese ungewöhnliche Aktivierung des Zuschauers folgte die Erlaubnis zum Ablegen der Masken. Doch auch nun konnte man sich nicht zurücklehnen - und nicht nur, weil man auf Matten saß. Nein, hier wurde keine Geschichte erzählt. Die fünf Tänzer bewegten sich im wippenden Rhythmus, den die Schaumgummi-Matten vorgaben, aufeinander zu, wie auf der Suche nach Körperkontakt und strebten wieder voneinander weg. Auch sie hatten Masken auf, so dass die Haltung der vorgestreckten tastenden Arme zum Symbol des Abends wurde.

Und was die fünf mit ihren Körpern anstellten! Sie tasteten nach den Möglichkeiten des Beugens, um den Körper des anderen wie ein Paket zusammenzufalten und herumzurollen. Wie dreidimensionale Puzzleteile verschränkten sie sich ineinander, kugelten ein Stück und brachen wieder auseinander.

Die Tanz-Regisseurin Lara Kugelmann hat sich - laut Programmheft - auf die Suche nach den "blinden Flecken" unserer Wahrnehmung begeben. Ihre blinden Partner haben sehr unterschiedliche Vorraussetzungen. Der Korrekturleser der Deutschen Bücherei für Blinde, Erol Sakinc, ein gebürtiger Türke, hat sich ohne Vorbildung in das Abenteuer eingelassen. Er wirkte sicherer, als er über sein Leben als Blinder erzählte: "Fenster putze ich nicht, bin zu faul".

Pernille Sonne, in Dänemark geboren, hat eine künstlerische Ausbildung. Mit Leichtigkeit eroberte sie den Raum und die Partner. Dieser Blinden zuzuschauen, war ein besonderes Erlebnis. In ihrem Beitrag über ihr Leben als Blinde, der von einem Diktafon zu hören war, das von Hand zu Hand gereicht wurde, war der selbstbewusste Satz zu hören: "Ich verrate nicht, was ich sehe". Was Lara Kugelmann mit dem etwas schwierigen Einstieg dem Publikum abverlangt, ist größte Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, anders wahrzunehmen als gewöhnlich. Wer sich darauf einlässt, wird allerdings reich belohnt.

Nächste Vorstellung in Leipzig, Schaubühne Lindenfels am 16. Mai um 22 Uhr.