Felice Siana Felice Siana : Dichterin verfasst Texte zur Kunstaktion "Ein Kuss für Halle"

Halle (Saale) - Der vielzitierte Satz hing zwar nicht an einer Wand im halleschen Bahnhof aus, aber immerhin: Er hatte mit dem Bahnhof zu tun. Der sei Halles schönster Ort, denn von hier aus könne man dieser Stadt in alle Himmelsrichtungen entfliehen. So hatte Deutschlands langjähriger Komödienkönig Curt Goetz einst sehr lieblos geätzt, nachdem er als Gymnasiast mit der Liebe erst bekannt gemacht worden war - einigen liebenswürdigen Hallenserinnen sei Dank!
Um Liebe und Halle geht es dieser Tage auch in einer fast ganzjährigen Kunstaktion, die eigentlich zur Image-Kampagne taugen würde, nun aber auf dem Bahnhof zumindest dafür sorgen kann, den Entschluss von Reisenden, die Stadt zu betreten oder zu verlassen, günstig zu beeinflussen.
Felice Siana: Mit Peru John ist sie aus der Fotografie-Szene bekannt
Dabei hat das Projekt des bekannten Fotografen und „Image-Farbikanten“ Peru John noch eine Mit-Autorin: Felice Siana, gebürtige Sächsin aus der Nähe von Chemnitz und studierte Germanistin. Mit John ist sie aus der Fotografie-Szene bekannt und seither in manches seiner Projekte konzeptionell eingebunden.
Die „Küsse für Halle“ hat sie nun sogar literarisch angereichert. Wie es der Zufall wollte, fiel die Arbeit an diesem Projekt mit dem Endspurt bei ihrem ersten Gedichtband zusammen: Einem Werk mit einem durchaus erotischen Themenschwerpunkt, wie es der Buchtitel „Poeamorie“ auch ahnen lässt. Der wiederum spielt mit dem poetischen Anklang an Polyamorie, jener Liebesphilosophie, die in einem gewissen Gegensatz zu der immer noch weit verbreiteten, doch begrifflich ungebräuchlichen (der Monogamie verwandten) Monoamorie steht.
Gedichte sind in der sehr sehenswerten „Ein Kuss für Halle“-Schau
Einige der in Felice Sianas 68-seitigem Lyrikband enthaltenen Gedichte sind in der sehr sehenswerten „Ein Kuss für Halle“-Schau in grafischer Gestaltung und in Korrespondenz mit Fotografien zu sehen - und ein Reiz an diesem Kontext besteht für den Betrachter wohl auch darin, die Gefühle für die eigene Stadt mal abzugleichen mit dem Knistern in den beispielhaft präsentierten Liebesversen der jungen Dichterin.
Geradezu als ein Volltreffer in dieser Hinsicht darf folgender Vers aus Sianas Gedicht „Auf Tuchfühlung“ gelten: „Ich lieb und lieb, doch ich erlang / noch immer kein Gefühl für dich.“ Das also ist’s, was selbst den gutwilligsten Zugereisten in seinen Gefühlen zu Halle bisweilen mal arg zurückwerfen kann: Zurückwerfen auf das Stadium der „Sehnsuchtsblicke“, wie es im gleichen Gedicht immerhin auch heißt.
Und noch zu einer beinahe lakonischen Begründung dafür, warum es ausgerechnet Halle (wenn man schon mal da ist!) zu lieben oder zu küssen gilt, kann ein Felice-Siana-Vers verhelfen. Er lautet: „Unerhört, dich gibt’s!“ (mz)