Auch in Halle zu Gast Ex-Puhdys-Chef Dieter „Maschine“ Birr und Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker machen „Lieder für Generationen“
Nach monatelanger Zwangspause ist Ex-Puhdys-Chef Dieter „Maschine“ Birr wieder unterwegs. Gemeinsam mit Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker bringt er „Lieder für Generationen“ intim.

Alle Ampeln auf rot, das Leben ausgebremst. Auch Dieter Birr, der Mann, den alle nur „Maschine“ nennen, sah sich mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ausgebremst. Keine Konzerte mehr, nicht mal ein paar kleine Auftritte. „Ich werde nicht klagen“, sagt der 77-Jährige, „ich habe einen Garten, ich habe meine Familie und ich habe meine Gitarren.“
Aber nicht mehr raus zu dürfen zu den Fans, sein Publikum nicht mehr zu erreichen, sondern gefesselt zu sein und stummgeschaltet, das macht was mit einem Überzeugungstäter wie Birr. „Wir Alten“, sagt er, „machen doch Musik nicht aus finanziellen Gründen, haben wir nie“. Leidenschaft ist es, der Spaß am Beruf. „Das ist bei mir auch nach 50 Jahren noch so.“
Ein halbes Jahrhundert
Dieter Birr untertreibt. Inzwischen sind es 52 Jahre, seit der gebürtige Berliner sein erstes Konzert mit den Puhdys spielte. Wie Deep Purple und Uriah Heep hätten sie damals klingen wollen, erinnert er sich. „Aber wir konnten nicht so spielen und ich konnte auch nicht so singen.“
Zum Glück. Denn so blieb der Band nichts anderes übrig, als ihren eigenen Stil zu finden. Die Puhdys wurden mit Hits wie „Alt wie ein Baum“, „Wenn ein Mensch lebt“ oder „Lied für Generationen“ zum eigenen, unverwechselbaren Markenartikel im deutschen Rock. Und „Maschine“ Birr war nicht nur Stimme, Songschreiber und Gitarrist, sondern immer auch Herz und Gesicht der Band. Mehr als 22 Millionen Platten verkauften die Puhdys, 4.500 Konzerte haben sie gespielt, ehe das Quintett vor fünf Jahren beschloss, dass es nun genug sei.
Für Birr der Beginn einer neuen Lebensphase. Schnell hatte er eine eigene Band zusammengetrommelt, schnell entstanden Songs für zwei Soloalben. Rockerrente? Nicht für Dieter Birr. Musik ist, was der gelernte Universalschleifer liebt. Rausgehen, spielen, singen, bei den Leuten sein. Einen ausgetüftelten Karriereplan hat Birr nie gehabt, sondern immer nur den Wunsch, Lieder zu schreiben und sie zu singen.
Ganz nah am Pandemie-Leben
In der Pandemiezeit spielt Birr viel für sich, man müsse ja immer üben, sagt er. Er denkt über Themen nach und schreibt Texte. Einer fällt Steven Dornbusch in die Hände, dem Manager der Bitterfelder Band Goitzsche Front, den Birr auf einer gemeinsamen Tour der beiden Rock-Generationen kurz vor Ausbruch der Seuche kennengelernt hat. „Das ist klasse, das ist aktuell, das müssen wir gleich machen, hat Steven gesagt“, beschreibt Dieter Birr, „und dann machen wir gleich ein Album.“
Auf einmal hatte Birr einen neuen Partner, einen neuen Plattenvertrag und einen neuen Hit. „Bessere Tage“ ist ein echtes Maschine-Stück, gedankentief und philosophisch, aber nicht abgehoben, sondern ganz nah am Leben. Mit seiner unverwechselbaren Stimme singt Maschine vom Verlust der Nähe, vom Leben, das wie eingefroren stillsteht, von geschlossenen Kneipen und leeren Straßen. Ein Künstler auf der Höhe der Zeit, der die tragischen Tage voller Traurigkeit und Tod besingt, aber auch Hoffnung hat: „Ich weiß, sie kommen wieder, all die ungesungenen Lieder“, tröstet er sich und die Fans.
Und jetzt geht es los. Bei einem kleinen Privatkonzert für einen Berliner DJ, der ein Riesenfan der Puhdys und des Ostrock überhaupt ist, wie Dieter Birr erzählt, sei die Idee entstanden, mal etwas ganz anderes zu probieren. Nur Birr und der aus Halle stammende Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker - was jetzt als „Lieder für Generationen - intim“ unterwegs ist, bringt „Maschine“ Birr ungefiltert und ungeschminkt auf die Bühne. „Anfangs war das sehr ungewohnt“, sagt er, „mein Leben lang hat ja eine Band hinter mir gestanden.“ Aber es fühlte sich gut an, echt und lebendig. Und in Zeiten der Abstandshaltung erfüllt es die Sehnsucht nach Nähe, die alle haben, Künstler und Fans. „Schon die ersten drei Auftritte waren auch für uns beide auf der Bühne wie eine Wiedergeburt“, beschreibt Dieter Birr.
Alles ganz normal
Zwei Männer, ein Sack voller Lieder, darunter Puhdys- und Maschine-Songs, Silly-Stücke, Coverversionen. Dazu gibt es Geschichten aus einem halben Jahrhundert Rock’n’Roll - etwa die, wie Dieter Birr damals „Hey John“ schrieb, diese emotionale Verbeugung vor dem Beatle. „Wir waren in London im Studio, als die Nachricht reinkam, dass John Lennon ermordet worden war.“ An Arbeit sei danach nicht mehr zu denken gewesen. „Und als ich am Klavier saß, kam diese Melodie zu mir“, erinnert sich Birr.
„Hey, John, Lieder schweigen nicht“ heißt es im Text, der Generationen durchs Leben begleitet hat wie so viele Songs aus Birrs Feder. Dem Interpreten ist erst gerade wieder klargeworden, wie tief die Spuren sind, die seine Musik in Herzen und Seelen hinterlassen hat. „Im Alltag bin ich ja ein ganz normaler Kerl“, beschreibt Dieter Birr, „wenn ich morgens die Treppe runterkomme, denkst Du, meine Frau klatscht?“ Auch in seinem Kiez ist er kein Star, sondern der Nachbar. „Alle grüßen, ich grüße“, sagt er, „alles ganz normal“.
Aber wenn der Riese, der seinen Künstlernamen seinem Appetit verdankt, der ihn für seine Bandkollegen zur „Fressmaschine“ machte, sich eine Gitarre umhängt, entsteht Magie. Erst recht jetzt, wenn mit Uwe Hassbecker ein instrumentaler Zauberkünstler neben ihm sitzt. „Jedes Wort, jede Zeile“ hätten die Fans bei den ersten Auftritten mitgesungen und die ruhigen Sitzkonzerte in große Mitsing-Events verwandelt.
Dieter Birr, der ironisch anmerkt, er habe ja seine Karriere hinter sich und könne nun wirklich machen, was er wolle, hätte nicht erstaunter sein können, wie laut leise werden kann. „Das war Rock’n’Roll“, sagt er.
Maschine „intim“ - Akustik-Konzerte mit Uwe Hassbecker (Silly), 10. Juli, 20 Uhr, Steintor-Varieté Halle, Tickets unter 0345/5655600 oder online unter www.tim-ticket.de