Ex-Maritim-Hotel Ex-Maritim-Hotel: So sieht es in der Flüchtlingsunterkunft aus
Halle (Saale) - Es ist Mittag im ehemaligen Maritim-Hotel in Halle. Das heißt: Es wird voll in dem Bereich, der einmal Hotelhalle war. Der Lautstärkepegel steigt. Kinder flitzen durch die Halle, dutzende Menschen stehen in zwei Schlangen vor der Tür des früheren Restaurants, in dem jetzt das von einem Caterer gelieferte Essen ausgegeben wird. Es gibt Fladenbrot und Salat - warm gegessen wird erst abends. Dreimal am Tag gibt es zu festgelegten Zeiten Essen. Getränke stehen immer bereit.
Schlangestehen für eine Mahlzeit
In kleineren Grüppchen werden die Menschen in den Speisesaal gelassen, damit sich der Stau nicht direkt vor die Ausgabe verlagert. „Es kann bis zu eine Stunde dauern, bis man dran ist“, erzählt Ismail (27) aus Syrien. Gut 300 Plätze hat das Ex-Restaurant, in dem heute eher Kantinen-Flair herrscht. 640 Menschen, viele aus Syrien, leben derzeit in dem Haus, das seit dem 1.Oktober als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge genutzt wird. Um sie in anderthalb Stunden durchzuschleusen, wurden getrennte Zeiten für Bewohner verschiedener Etagen verabredet.
Zum ersten Mal ermöglicht das Land an diesem Freitag Journalisten einen Einblick in die Flüchtlingsunterkunft. Führt unter anderem durch die Halle, in der Schilder auf Englisch und Arabisch den Flüchtlingen Regeln und Wissenswertes vermitteln: tägliche Ausgabezeiten für Kleiderspenden - getrennt nach Männern und Frauen -, den Hinweis, dass das Leitungswasser trinkbar ist, die Bitte, nichts aus den Fenstern zu werfen.
15 Mitarbeiter für Registrierung
Die erste Station der Flüchtlinge nach der Ankunft ist ein ehemaliges Restaurant im hinteren Teil des Hauses. Dort ist jetzt ein Wartebereich, in dem die Menschen bis zu ihrer Registrierung zur Ruhe kommen sollen. Wo einiges noch vage an den Hotelbetrieb erinnert - Stühle, Kronleuchter, Teppiche, Bilder - geht es andererseits dieser Tage provisorisch zu. Im Raum, in dem die Flüchtlinge registriert werden, stehen nur ein paar Tische, auf ihnen vier Computer. Hier werden Personaldaten aufgenommen, Fotos gemacht, Fingerabdrücke genommen. 15 Mitarbeiter aus verschiedenen Landesbehörden - unter anderem Finanzämtern - sind derzeit dorthin abgeordnet.
Baulich soll sich noch einiges tun. „Uns fehlen Räume“, sagt der Chef des Hauses - für Büros und Kleiderkammer, ein Gebetsraum oder ein Rückzugsraum für muslimische Frauen. Teilweise sollen sie durch den Einzug von Wänden geschaffen werden. Nebenan, im ehemaligen Konferenzraum, ist der Fußboden neu verlegt worden. Was gerade ein leerer Saal ist, soll künftig vier Untersuchungsräume und eine Röntgenstation für die medizinische Erstuntersuchung der Flüchtlinge beherbergen. Derzeit werden sie dafür ins Elisabeth-Krankenhaus gefahren, wo Zusatz-Personal angeheuert wurde. „Wir haben bisher 500 Menschen untersucht, darunter 150 Kinder“, sagt Chefarzt Hendrik Liedtke. „Das jüngste war zwei Wochen alt, wurde im Gleisbett in Mazedonien geboren.“ Untersucht werden die Flüchtlinge auf ansteckende Krankheiten, auf Tuberkulose. TBC sei noch nicht entdeckt worden, aber Projektile von Schusswaffen - bis zu sieben in einem Körper. „Das hat so noch keiner meiner Mitarbeiter gesehen“, so Liedtke.
Flüchtlinge werden geimpft
Solche Verletzungen gehörten zu den häufigsten Befunden. Flüchtlinge würden zudem geimpft: gegen Masern, Mumps, Keuchhusten. Angst, dass sie unkontrolliert Seuchen einschleppen, sei unbegründet. „Flüchtlinge sind eher gefährdet als gefährlich.“ Wenn in der Unterkunft Masern ausbrächen, hätte sie das ganze Haus.
Kein Platz für Luxus
Dabei hat das Ex-Maritim im Unterschied zu Zelten und Turnhallen zumindest einen großen Vorteil: abschließbare Zimmer und Privatsphäre. Für 360 Hotelgäste war das Haus ausgerichtet, heute leben hier 640 Menschen. Wenn durch zusätzliche Außentreppen der Brandschutz gewährleistet werden kann, soll aufgestockt werden - ursprünglich waren 700 Plätze geplant. Die Menschen leben in Zwei- und Fünfbettzimmern. Was früher Einzelzimmer war, elf Quadratmeter groß, bietet jetzt mit einem Feldbett Raum für zwei Personen. Viel Platz bleibt da nicht mehr: Wer ans Fenster will, muss über die Liege steigen, weil die direkt am Bett steht. „Künftig soll hier ein Doppelstockbett stehen - wenn die denn lieferbar sind“, sagt der Hausleiter. Platz für Luxus ist nicht: ein Tisch mit Schränkchen und Stuhl, eine zusätzliche kleine Lampe, das Bild an der Wand, ein Duschbad. Handtücher werden einmal pro Woche gewaschen. Kleidung, erzählt Farin aus Afghanistan, wäscht man auf dem Zimmer selbst. Die Unterbringung „ist gut“, sagt er. Auch die Security sei nett.
Wer an diesem Mittag in der Hotelhalle steht, sieht Security-Mitarbeiter, die mit Kindern Spaß machen. Außer Warten oder die Stadt erkunden bleibt den meisten Flüchtlingen nicht viel. Gerade für die Kleinen scheint der Tross von Journalisten eine willkommene Abwechslung. Im Haus gibt es sonst eine kleine Kinderspielecke und eine Vorführmöglichkeit für Filme, sagt Sebastian Stiewe, Sprecher der Malteser, die mit 40 hauptamtlichen Mitarbeitern und 20 ehrenamtlichen Dolmetschern die Sozialbetreuung übernommen haben. Andere Freizeitbeschäftigungen - der Wellnessbereich des Ex-Hotels ist geschlossen - würden derzeit noch über Vereine vorbereitet.
Für Ismail aus Syrien ist das eines der größten Probleme: das Warten. Keiner könne sagen, wann es weitergeht, wie Termine im Asylverfahren aussehen. „Wir warten - und wissen nicht wie lange.“ (mz)