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Elektro-Thermit aus Halle Elektro-Thermit aus Halle: "Wir sind der unangefochtene Weltmarktführer"

Von Silvia Zöller 17.05.2019, 08:20
Bei einer Werksführung konnten sich die Gäste das Thermit-Schweißen live anschauen.
Bei einer Werksführung konnten sich die Gäste das Thermit-Schweißen live anschauen. Silvio Kison

Halle (Saale) - Wer heutzutage Zug fährt, der wird vergeblich nach dem „Klack-Klack“-Fahrgeräusch horchen, das man bestenfalls noch aus alten Filmen kennt. Denn heute sind Gleise lückenlos und damit geräusch- und verschleißarm verlegt - dank eines Unternehmens aus Halle, dessen spezielles Verfahren weltweit 2,5 Millionen Mal pro Jahr angewandt wird.

Die Elektro-Thermit GmbH hat am Donnerstag ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und sich dabei auch feiern lassen. „Wir sind der unangefochtene Weltmarktführer“, betonte Geschäftsführer Matthias Wewel bei der Feierstunde in der historischen Ofenhalle des Unternehmens.

Elektro-Thermit: Patent aus dem Jahr 1895

Denn Geschichte, die stand an diesem Tag freilich im Vordergrund: Der Chemiker Hans Goldschmidt suchte 1895 eigentlich nach einem Verfahren, um hochreinen Chrom herzustellen. Dabei entdeckte er aber ein ganz anderes Verfahren, das Thermit-Schweißverfahren. Aluminium-Granulat und Metalloxid werden bei etwa 3.000 Grad Celsius in flüssiges Eisen verwandelt.

Mit verschiedenen Zusätzen entsteht daraus der besondere Schweißstoff, der flüssig in die Schienenlücken gegossen wird - seit 1899 wurden in Deutschland Schienen erstmals so verbunden. Das Patent reichte Goldschmidt bereits 1895 ein.

Elektro-Thermit:

Das 1919 in Berlin gegründete Unternehmen übernahm das Werk in Halle bereits 1922 - wo bis heute Thermit produziert wird. Von 1945 bis 1990 gehörte das Werk zum VEB Ammendorfer Plastwerk, 1990 kaufte es die Mutterfirma Goldschmidt AG zurück, 2005 verlagerte Elektro-Thermit seinen Sitz von Essen (Nordrhein-Westfalen) wieder nach Halle. Bis heute hat das Unternehmen rund 30 Millionen Euro in den Standort Halle investiert, so Geschäftsführer Wewel.

Zu den Gratulanten gehörte auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der dem Geburtstagskind gleich mal einen Vorschlag machte: Zuvor hatte Haseloff die Lutherkirche besucht, die noch dringend Geld für die Sanierung von vier Evangelisten als Portalfiguren benötigt. Das Geld, so der Ministerpräsident, könnte doch von Elektro-Thermit kommen.

Elektro-Thermit: „Sie können Geld sparen“

„Sie können Geld sparen“, offenbarte er der Geschäftsführung. Denn der riesige und schwere Ofen im Festsaal, der von 1940 bis 1990 für die Thermit-Produktion gebraucht wurde und dessen Abbau zu kostenintensiv ist, soll nun nach dem Wunsch von Haseloff Industriedenkmal werden.

„Der Ofen muss dann nicht abgerissen werden und das Geld kann für die Sanierung der Lutherkirche eingesetzt werden“, schlug Haseloff vor. Er würdigte ausdrücklich, dass Elektro-Thermit nach der Wende aus eigener Kraft des Unternehmens wieder auferstanden ist - im Gegensatz zum Rest des Chemiedreiecks, dem viel staatlich Hilfe zugute kam.

Elektro-Thermit: „Der stille Star der Stadt“

Lob gab es auch für das Unternehmen von Oberbürgermeister Bernd Wiegand: „Elektro-Thermit ist der stille Star der Stadt.“ Jeder Fahrgast in Straßenbahnen und Zügen profitiere von dem sanften Dahingleiten, das das Unternehmen durch sein Schweißverfahren ermögliche.

Zur Goldschmidt Thermit Gruppe gehören heute weltweit 24 Einzelunternehmen, die eben auch weltweit im Einsatz sind, eines der spektakulärsten Arbeiten der letzten Jahre ist wahrscheinlich der Bau des Eisenbahntunnels unter dem Bosporus, der Europa mit dem Fernen Osten verbindet - und zwar mit Technik made in Halle, dem Thermit-Verfahren.

Elektro-Thermit: Auch Fußballteams der WM 2022 in Katar profitieren

Auch am Bau der ICE-Strecke von Nürnberg nach Berlin sind die Gleise lückenlos mit Thermit verbunden worden. Sogar die Fußballteams der WM 2022 in Katar werden davon profitieren: Eine Metrostrecke soll die Stadien verbinden. Und auch dort soll Thermit zum Einsatz kommen.

Im Werk Halle, das jährlich rund eine Million Thermit-Portionen herstellt, sind 160 Mitarbeiter beschäftigt. „Brücken und Tunnel der Deutschen Bahn haben einen hohen Überholungsbedarf und werden auf Verschleiß gefahren“, kritisierte Geschäftsführer Wewel. Um gleich hinterherzuschieben: „Und das ist genau unser Geschäft.“ Denn jede Weiche und Schiene muss nach einer Reparatur neu eingeschweißt werden - Aufträge werden wohl auch noch viele Jahre hereinkommen. „Wir werden daran arbeiten, dass auch die nächsten 100 Jahre eine Erfolgsgeschichte werden“, so Wewel. (mz)