Einkaufspassage am Boulevard Einkaufspassage am Boulevard: Miteigentümer Ritter denkt an Übernahme
Halle/MZ. - Die Nachricht, dass sein Geschäftspartner Werner Testrut einen Insolvenz-Antrag gestellt hat, von dem auch das Ritterhaus in Halle betroffen ist, hat Carl-Friedrich Ritter gestern am Kran-
kenbett erreicht. "Ich war völlig überrascht und nicht gerade erfreut", so der 55-Jährige, der zurzeit im Krankenhaus liegt. Beiden, Testrut und Ritter, gehört das Ritterhaus am Boulevard; Testrut hält den größeren Anteil. Am vergangenen Mittwoch musste der Geschäftsmann aus Wesel in Nordrhein-Westfalen einen Insolvenz-Antrag über sein gesamtes Vermögen stellen. Ritter will nun versuchen, Testruts Anteile an dem Passagen-Gebäude mit Partnern zu übernehmen, allein werde dies wohl zu schwierig werden. Er habe bereits erste Gespräche mit Banken geführt. Nach den Worten von Center-Manager Jens Friedrich werden alle Läden weiter wie bisher öffnen. Er stellte für Anfang des nächsten Jahres Veränderungen im Haus mit neuen Mietern in Aussicht.
Auf alle Fälle, sagte Carl-Friedrich Ritter, der nach der Wende wieder in seine Geburtsstadt Halle gezogen ist, werde er nicht in Panik verfallen. Er sehe für das Haus eine Zukunft. "Es gibt gute Chancen, dass es dort besser laufen wird als bisher. Die Pleite ist Testruts Pleite, nicht unsere." Die Immobilie hat für ihn eine besondere Bedeutung - seinem Vater gehörte einst das alte Ritterkaufhaus, an dessen Stelle das Passagenkaufhaus gebaut wurde.
Natürlich sei er sehr ärgerlich über Testruts "schofeliges" Geschäftsgebahren, so Ritter weiter. Das Einkaufs- und Bürohaus sei von Testrut bisher wohl an zu "langer Leine" geführt worden. Seit der Eröffnung im April 1997 war die Passage, in der derzeit etwa ein Viertel aller Läden leer steht, von vielen Hallensern nicht recht angenommen worden. Kritik gab es unter anderem am Branchenmix und daran, dass das Gebäude zu verwinkelt sei.
Die Tochter von Werner Testrut, Ines Testrut, begründete gestern die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens Testrut GbR, in dem sie mitarbeitet, mit der schlechten Auslastung dieser und anderer Testrut-Immobilien im Osten, der schlechten Zahlungsmoral der Mieter sowie der Krankheit ihres Vaters.
Nach Auskunft des vorläufigen Insolvenz-Verwalters Rainer Beck aus Kevelaer (Nordrhein-Westfalen) werde in den nächsten vier Wochen darüber entschieden, ob der Insolvenz-Antrag angenommen wird. "Wenn ja, gibt es danach zwei Wege: Verkauf der Immobilienanteile oder Versteigerung", so Beck. "Die erste Möglichkeit halte ich aber für sehr viel wahrscheinlicher." Er bestätigte, dass die Geschäftstätigkeit im Ritterhaus wie bisher weiter geht. "Die Verträge, die die Händler haben, bleiben bestehen." Bis jedoch ein neuer Eigentümer im Grundbuch stehe, könnten gut zwei Jahre ins Land gehen. "Bei der Größe der Immobilie ist diese Zeitspanne ganz normal."
Center-Manager Jens Friedrich, der dritte Manager seit der Eröffnung des Hauses, will bis dahin nicht untätig sein und die Passage attraktiver herrichten. Ein erster Schritt sei bereits getan. "Architekten haben bestätigt, dass die Schaffung größerer Verkaufsflächen auf allen drei Ebenen möglich ist."
Nun müssten mit Anbietern wie größeren Textil-Filialisten Verträge geschlossen werden. Er rechnet, dass das Ende dieses, Anfang nächsten Jahres geschehen könnte und im Frühjahr 2002 das erste große Geschäft öffnet. Interessenten gebe es, möglicherweise seien auch Lebensmittelketten darunter. Vor allem ein Supermarkt wäre ein großer Kunden-Magnet für das Haus, das mit seiner Tiefgarage eigentlich gute Vorraussetzungen hat.