Ein mediales Puzzle der Verstörung
Halle/MZ. - Jugenderziehungs-Camps, Videoüberwachung, Online-Durchsuchung, Telefondaten-Speicherung - es gibt immer neue Variationen auf ein altbekanntes Thema: den Konflikt zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Befolgen der Normen der Gesellschaft. Die Prügelkinder dieser Debatte sind häufig Jugendliche mit ihrer aufbegehrenden Grundhaltung und ihrem Infragestellen aller Autoritäten. Immer wieder wird dieser Stoff von der Kunst aufgegriffen; der Klassiker ist wohl "A Clockwork Orange". Auf der Probebühne des Thalia-Theaters ist nun eine neue Variante zu erleben: "Paedophobia. Die Maßnahme".
Disziplin ist Pflicht
Sechs Jugendliche wachen aus der Narkose auf; eingesperrt in einem geschlossenen Raum mit Monitoren, Kameras und einer seltsamen Maschine. Gehetzt blicken sie sich um: Wer hat sie entführt? Wo sind sie? Und vor allem: Warum? Doch Fragen sind unerwünscht, Disziplin ist erste Pflicht; das machen die Wärterinnen schnell klar. Und so verschieden die Eingesperrten sind - der ruhige Mike, die zynisch-aggressive Mara, der gewitzt-aufmerksame Pete, die intelligente Isabel, der selbstzweiflerische Tom und der kesse Olli - sie fügen sich in die scheinbar unvermeidliche Befehlen-Gehorchen-Struktur.
Sie müssen sich streiten, damit die Maschine Wasser gibt; sie müssen schweigen, wenn das Licht erlöscht; sie müssen strammstehen, wenn die Knast-Wärterinnen kommen. Und über allem thront der Wächter (diabolisch und zynisch Axel Gärtner). Wirklich auszubrechen wagt nur Isabel (Franziska Rattay). Doch gerade ihr scheinbarer Vertrauter, der ewige Außenseiter Tom (Hendrik Fuß), wird ihr Verhängnis. Denn bald ist klar: Gesucht wird Nachwuchs für die Überwacher der Gesellschaft; und Tom besteht den Test mit einem tödlichen Schuss.
Projekt bleibt Stückwerk
Markus Dietrich und Stefanie Eue haben "Paedophobia" im Stipendiatenprogramm "Formate" von Thalia und Deutsche Bank Stiftung produziert. Sie jonglieren mit einem Stilmix, darunter hervorragende Videoeinspielungen und wilde Talkshow-Persiflagen, gegen die Entmündigung des Einzelnen. Die Jugend-Theatergruppe "Guerilla Group" erfüllt dies erstaunlich souverän mit Leben; vor allem Ilja Wehrenfennig als jüngster Insasse Pete. Doch trotz aller guten Absicht bleibt das Projekt Stückwerk; ein verstörendes Puzzle, dem durchgehendere Handlung, Verzicht auf pseudophilosophische Verkündigungen und detailliertere Figurenentwicklung gut getan hätten.
Vorstellungen: Mittwoch und Donnerstag, 20 Uhr, Weidenplan 20.