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Ein iPhone 8 bei eBay Ein iPhone 8 bei eBay: Hallenser tappt in Internet-Falle

Von Julius Lukas 20.09.2019, 17:02
Ein Mann aus Halle ist bei eBay auf einen Betrüger herein gefallen.
Ein Mann aus Halle ist bei eBay auf einen Betrüger herein gefallen. Foto/Montage: dpa/MZ

Halle (Saale) - Die Versandkosten spielten bei der Bestellung keine Rolle. 430 Euro sollte das Mobiltelefon auf dem Online-Marktplatz kosten. Ein iPhone 8, schwarze Optik, nigelnagelneu. Ein Top-Preis, ein Wahnsinnsangebot. Eines, bei dem man gleich zuschlagen muss - sonst holt sich ein anderer das Schnäppchen. „Kurz hat mich das mit den Versandkosten stutzig gemacht“, sagt Hannes Linde (Name geändert). „Aber dann dachte ich: Vielleicht hat der Verkäufer die ja in den Preis schon eingerechnet.“

Die fehlenden Portokosten sind eines der vielen Details, bei denen Hannes Linde heute den Kopf schüttelt. Ein Detail, bei dem er sich wieder die Haare rauft und sich fragt: Wie konnte ich nur so dumm sein?

Denn die Versandkosten fehlten, weil ein Versand nie geplant war. Weil es das Telefon - das Wahnsinnsangebot - gar nicht gab. „Im Nachhinein sagt man sich: Klar, konnte ja gar nicht stimmen.“ Aber in diesem Moment habe er eben ein Handy gebraucht. „Da siegte der Schnäppchenjäger in mir über den Rationalisten.“

Hallenser Opfer eines Online-Betrugs

Hannes Linde, Anfang 30, der in Halle lebt und im Vertrieb arbeitet, wurde Opfer eines Online-Betrugs. Eines Verbrechens, das in den vergangenen Jahren zu immer größeren Schäden geführt hat. Die Polizei speichert diese Art der Kriminalität in ihrer Statistik unter dem Namen Warenkreditbetrug. Laut Andreas von Koß, Sprecher des Landeskriminalamtes, wurden im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt 9.866 Menschen auf diese Art um ihr Geld gebracht. Der dabei entstandene Schaden summiert sich auf 4,3 Millionen Euro.

Die Zunahme an Betrügereien erklärt sich auch durch die Zunahme an Online-Marktplätzen. Das Einkaufen verlagert sich - wie viele andere Lebensbereiche auch - immer mehr ins Internet. Große Handelsplattformen entstanden in den vergangenen Jahren - auch im Bereich der Gebrauchtwaren. Früher wurden die über Anzeigen in der Zeitung, An- und Verkauf-Läden oder Flohmärkte veräußert. Mittlerweile findet das Geschäft im World Wide Web statt.

In Deutschland gibt es zahlreiche Portale. Bei Kleiderkreisel etwa kann jeder gebrauchte Kleidung kaufen, auf „Rebuy“ wird mit Technik aus zweiter Hand gehandelt. Daneben existieren auch Online-Flohmärkte wie Quoka oder Shpock. Der Platzhirsch unter den digitalen Marktplätzen ist jedoch eBay Kleinanzeigen. 30 Millionen Nutzer pro Monat hat die Plattform für Gebrauchtes, die es seit zehn Jahren gibt. Eine Milliarde Anzeigen wurden in dieser Zeit veröffentlicht - und jede Minute kommen 500 neue hinzu.

„Das klang schlüssig und bei diesem Preis dachte ich: Jetzt oder nie.“

Auf eBay Kleinanzeigen fand Hannes Linde auch das Telefon-Schnäppchen. „Ich hatte zuvor schon auf anderen Internetseiten gesucht und Preise verglichen“, erzählt der Vertriebsmitarbeiter. Dann kam das Angebot. Frisch eingestellt, Linde war wohl einer der ersten, der es gesehen hatte. In der Artikelbeschreibung stand, dass es Teil einer Vertragsverlängerung sei. Der Verkäufer gab an, dass er es nicht brauche und deswegen loswerden wolle. „Das klang schlüssig und bei diesem Preis dachte ich: Jetzt oder nie.“

Linde kontaktiert den Verkäufer. Der hatte eine Telefonnummer hinterlegt. Die Kommunikation findet über den Mitteilungsdienst WhatsApp statt. Der Chatverlauf liegt der Mitteldeutschen Zeitung vor. Daten werden ausgetauscht. Das Geld soll überwiesen werden - und das so schnell wie möglich. „Nutzen Sie Echtzeit Überweisung“, fragt der Verkäufer im Chat. Dabei handelt es sich um einen Dienst, den viele Banken anbieten: Überwiesenes Geld wird unmittelbar nach der Transaktion dem anderen Konto gutgeschrieben. An dieser Stelle des Verkaufs wird Hannes Linde kurz misstrauisch. „Nicht falsch verstehen, aber habe ich dann irgendeine Garantie?“, fragt er den Verkäufer zurück.

Es ist ein Moment des Zweifels, und nach Ansicht von Experten wie Simone Meisel ist jeder gut beraten, wenn er diesem Zweifel mehr Aufmerksamkeit einräumt. „Sobald bei einem Kauf auch nur eine rote Alarmlampe angeht, sollte man sich zurücklehnen und das Angebot noch einmal intensiv prüfen“, sagt die Rechtsreferentin der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Meisel hat tagtäglich mit Betrugsfällen zu tun. „Online passiert zunehmend mehr“, sagt sie. Im Internet werde es den Verbrechern aber auch leichter gemacht, da die persönliche Begegnung fehlt. „Das Vertrauen in den Handelspartner aus der Offline-Welt ist aber oft noch da.“

Dabei hatte Hannes Linde durchaus Zweifel an seinem Gegenüber. Doch die wurden ihm vom Verkäufer genommen. „Ich habe es nicht nötig jemanden wegen so einem Betrag zu betrügen“ (Fehler im Original, die Red.), schreibt er im Chat. Und dann macht er ein zweifelzerstörendes Angebot: „Kann ihnen gerne als Sicherheit meinen Perso zuschicken.“ Hannes Linde willigt ein.

Kurz danach bekommt er das Bild eines Personalausweises gesendet. Der ist noch über ein Jahr gültig, sieht echt aus, und die Daten passen zu dem Bankkonto, auf das das Geld überwiesen werden soll. „Als ich das gesehen habe, war mein Misstrauen leider weg, und ich freute mich schon auf das Telefon“, erzählt Linde. Das Geld überwies er gleich danach.

Betrüger täuschen Glaubwürdigkeit vor

Was es mit dem Personalausweis auf sich hat und ob die Person, die darauf zu sehen ist, wirklich hinter dem Handyverkauf steckt - das müssen die Ermittlungen der Polizei zeigen. Eine beliebte Masche im Online-Betrug ist es allerdings, die Personalausweiskopien Unbeteiligter zu benutzen. Auf MZ-Anfrage erklärt eBay Kleinanzeigen-Sprecher Pierre Du Bois: „Betrüger versenden mitunter gefälschte Ausweisdokumente, um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen - Nutzer sollten darauf nicht vertrauen.“

Auch Verbraucherschützerin Simone Meisel kennt Fälle des Identitätsdiebstahls. „Die Leute gehen zu unvorsichtig mit ihren Daten um“, meint sie. Schon für ein Tütchen Gummibärchen werde vor einem Einkaufsmarkt die komplette Adresse samt Telefonnummer und Geburtsdatum rausgerückt. „Und wenn man im Internet dazu aufgefordert wird, eine Ausweiskopie zu schicken, dann machen das eben viele“, sagt Meisel.

Dass er dem Identitätsnachweis nicht hätte vertrauen sollen, wird Hannes Linde schnell klar. Denn kurz nachdem das Geld überwiesen wurde, tauchen immer mehr Probleme auf: Der Versand verzögert sich, weil der Verkäufer es nicht schafft, zur Post zu gehen. Dann soll seine Freundin das Paket geschickt haben, allerdings stimmt die Sendungsnummer nicht. Der Verkäufer schiebt es auf einen Zahlendreher, vertröstet immer wieder. Zwei Wochen vergehen. „Mir war da schon ziemlich klar, dass es sich um einen Betrug gehandelt haben muss“, sagt Hannes Linde.

Mit der Offenbarung des Betrugs ist Kommunikation jedoch noch nicht vorbei

Allerdings hofft er weiter. Zumal auch der Verkäufer sich weiter im Chat meldet, beschwichtigt und vertröstet. Irgendwann gehen ihm allerdings die Begründungen für die Verzögerung aus. Er gibt zu, dass es kein Handy gibt. Dass alles nur ein Betrug war. „Ich hab das fast schon als Erleichterung empfunden, weil die Ungewissheit davor doch auch eine Belastung war“, sagt Hannes Linde.

Mit der Offenbarung des Betrugs ist die Kommunikation jedoch noch nicht vorbei. Der Verkäufer meldet sich weiter, klagt über seine schlechte finanzielle Situation, über Schulden und verlorene Arbeit. „Das Geld von ihnen für das Handy habe ich für mietrückstände ausgegeben“, schreibt er und verspricht, die 430 Euro zurückzuzahlen. Geschehen ist das bis heute nicht.

„Vielleicht hat er sich weiter gemeldet, damit ich nicht gleich zur Polizei gehe und er diese Masche auch mit anderen abziehen kann“, sagt Hannes Linde. Er habe jedoch Anzeige erstattet. Sein Geld, sagt er, sei für ihn jedoch verloren.

Mittlerweile hat Linde ein neues Telefon. Ein iPhone 8, schwarze Optik, nigelnagelneu. Gekauft hat er es wieder im Internet. Den Händler habe er mehrfach überprüft. „Und ich musste auch Versandkosten zahlen“, sagt Hannes Linde. Das habe er in diesem Fall jedoch gerne getan.

Tipps der Verbraucherzentrale: Sicher online einkaufen

Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt hat einige Tipps gesammelt, wie man auch im Internet sicher einkaufen kann. Ein gesundes Misstrauen gegenüber den Verkäufern schade dabei nicht. Bei auffallend günstigen Preisen, unbekannten Vertrauenssiegeln oder stark eingeschränkten Bezahlmöglichkeiten (nur Vorkasse oder Sofortüberweisung) sollten die Alarmglocken schrillen. Dann ist es wichtig, den Shop oder Verkäufer zu überprüfen. Finden sich im Internet Bewertungen anderer Nutzer - oder gibt es sogar Warnungen? Hat die Seite ein gültiges Impressum? Auch der Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann Klarheit bringen. Manchmal gibt es die nämlich gar nicht, was für betrügerische Absichten spricht.

Ist man doch auf einen Betrug hereingefallen, rät die Verbraucherzentrale, alle Korrespondenz mit dem Shop aufzubewahren. Wichtig ist auch, dass man den Verkäufer über den Missstand (nicht gelieferte oder minderwertige Ware) informiert. Wenn das nichts bringt, sollte man Strafanzeige stellen. Zudem kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, die eigene Bank zu kontaktieren, um eine Rückbuchung zu veranlassen. Wurde das Geld jedoch autorisiert überwiesen, ist einen Rückbuchung fast ausgeschlossen. Eine Klage gegen den Verkäufer bringt laut Verbraucherzentrale zumeist nichts, „denn die Abzocker verstecken sich hinter ihrer Scheinidentität“.

Mehr Informationen unter: www.verbraucherzentrale-sachsen-anhalt.de

Beschwichtigen, hinhalten und lügen: Die Auszüge aus dem Chatverlauf zeigen, wie der Verkäufer den Käufer in Sicherheit wiegt - solange, bis er den Betrug nicht mehr verheimlichen kann.
Beschwichtigen, hinhalten und lügen: Die Auszüge aus dem Chatverlauf zeigen, wie der Verkäufer den Käufer in Sicherheit wiegt - solange, bis er den Betrug nicht mehr verheimlichen kann.
Screenshot/J. Lukas