1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Drastische Preissteigerung im Altenheim: Drastische Preissteigerung im Altenheim: Ist die Pflege ein Pflegefall?

Drastische Preissteigerung im Altenheim Drastische Preissteigerung im Altenheim: Ist die Pflege ein Pflegefall?

04.05.2019, 05:00
Gute Pflege kostet Geld. Aber sind wirklich alle Kostensteigerungen auch gerechtfertigt? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
Gute Pflege kostet Geld. Aber sind wirklich alle Kostensteigerungen auch gerechtfertigt? Darüber gehen die Meinungen auseinander. dpa

Halle (Saale) - Das Cura-Seniorenzentrum auf der Silberhöhe hat die Preise für die Betreuung drastisch erhöht. Ein Einzellfall ist das nicht. MZ-Leser schildern ihre Erfahrungen:

Artikel soll aufrütteln

Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel „Preissprung im Altenheim“ gelesen. Sie schrieben, dass sich ein Heimbewohner über die Preiserhöhung beschwert hat. Dem ist nicht so. Meine Schwester und ich haben für die Belange unserer Mutter Generalvollmacht und entsprechende Schreiben sowohl an die Cura als auch an das Landesverwaltungsamt und das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration geschickt. Bis heute haben wir keine Antwort erhalten. Unsere Mutter ist seit November 2018 Bewohnerin des Cura Seniorenzentrums. Dieser Schritt ist ihr mit 92 Jahren gar nicht leicht gefallen und wurde nur deshalb vollzogen, weil sie aus dem Krankenhaus nicht mehr in ihre eigene Wohnung, die sie allein bewohnte, entlassen werden konnte.

Der zu diesem Zeitpunkt mit der Cura abgeschlossene Vertrag wies bei einem für sie festgestellten Pflegegrad 3 eine eigene Zuzahlung für den Pflegeheimplatz in Höhe von 1050,91 Euro aus. Damals wurde auch durch die zuständige Mitarbeiterin angekündigt, dass in absehbarer Zeit mit einer Erhöhung der Pflegekosten zu rechnen ist, was wir zur Kenntnis genommen haben. Dass aber innerhalb von zwei Monaten eine Erhöhung der Zuzahlung der Pflegeheimkosten auf 1681,71 Euro erfolgen würde, damit haben wir nicht gerechnet.

Die Begründung der Cura in dem Artikel, dass trotz angekündigter Preiserhöhungen bis zum 26. April 2019 keine Kündigung erfolgte, empfinden wir als unbeschreibliche Arroganz. Wie sollen pflegebedürftige Bewohner, die schweren Herzens im hohen Alter diesen Schritt in ein Pflegeheim gehen, ihren Heimplatz kündigen und sich um neuen Wohnraum kümmern?

Und der zweite „Rat“ der Cura, einen Antrag auf Kostenübernahme beim Sozialamt zu stellen, ist ebenfalls ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft. Bewohner von Pflegeheimen, so sie noch eigenständig in der Lage sind, ihren Willen zu bekunden, werden sich keiner „Bedürftigkeitsprüfung“ unterziehen. Sie sind in jedem Fall davon ausgegangen, dass sie mit ihrer Rente die auf sie zukommenden Heimkosten abdecken können und nicht ihre Familienangehörigen in die Zahlung der Heimkosten mit einbeziehen müssen.

Ich würde mich freuen, wenn dieser Artikel dazu beiträgt, die Gesetzesgeber aufzurütteln, hier schnell greifende Maßnahmen einzuleiten, die nicht zu Lasten unserer im Heim gezwungenermaßen wohnenden Angehörigen gehen.

(Dagmar Schöne, per Mail)

Auch andere erhöhen Preise

Bevor man über die Erhöhung des Cura-Seniorenzentrums berichtet, sollte man vorher auch mal recherchieren, was ein Heimplatz in anderen Heimen der Stadt kostet. Denn nicht nur die Cura hat die Preise erhöht, auch alle anderen Alten-/Pflegeheime sind davon betroffen - nur mit dem Unterschied, dass sich von denen niemand bei der Presse so aufregt.

Die Awo beispielsweise hat eine solche Erhöhung im letzten Jahr gehabt, so dass viele Bewohner zum Sozialamt mussten und haben innerhalb eines Jahres ihre Preise nochmals um ca. 200 Euro erhöht. Bei manchen Heimen ist man mittlerweile mit ca. 1 800 Euro an eigenen Kosten dabei. Mein Vater hat vor sechs Jahren mit knapp 700 Euro Eigenanteil begonnen und ist mittlerweile ca. beim doppelten Betrag.

Alles wird teurer und kostet mehr, das fängt beim „normalen“ Einkauf an und geht über Stromkosten etc. Auch das Personal muss bezahlt werden, vor allem für die Arbeit, die sie Tag für Tag leisten, egal, ob da Wochenende ist oder Feiertag oder sie zusätzlich einspringen müssen, weil nicht genügend Pflegekräfte da sind. Nur man sollte nicht nur den Ärger an der Cura in der Presse loslassen, sondern auch auf die anderen Anbieter schauen. Und man sollte nicht vergessen, was die Altenpfleger für die 10,55 Euro Mindestlohn leisten. Wer will denn in diesem Beruf noch arbeiten? Ich könnte und möchte es nicht …

(Sandra Kuschel, per Mail)

Eine Reform ist nötig

Meine Mutter lebt seit November 2017 in einem Pflegeheim im Süden von Halle (Awo). Zu diesem Zeitpunkt betrug der Eigenanteil 954 Euro. Im April 2018 kam die erste Erhöhung auf 1 323 Euro und zum Jahreswechsel die nächste auf 1 669 Euro. Inzwischen sind die Ersparnisse aufgebraucht, und es steht der Gang zum Sozialamt an. Ich bin froh, dass ich es ihr nicht erklären muss. Das erwähnte Pflegestärkungsgesetz greift meiner Meinung nach, wie viele Dinge in Bundeszuständigkeit, zu kurz.

So wird der Anteil der Pflegekassen gedeckelt. An der Pflege, wie auch an den Leistungen im Gesundheitswesen sowie der Rente beteiligen sich nicht alle Menschen, die im Erwerbsleben stehen. Vorschläge, das Sozialsystem grundlegend zu reformieren, scheitern meines Erachtens an politischen Hürden und nicht an sachlichen Argumenten. Unbenommen bleibt, dass Menschen, die in der Pflege tätig sind, anständig bezahlt werden müssen. Ich habe Hochachtung vor der Arbeit der Pflegerinnen und Pflegern in einer stationären Einrichtung.

(Lothar Faßhauer, per Mail)

Müssen wirklich alle zahlen?

Nachdem im März vorigen Jahres plötzlich meine Schwiegermutter mit 67 verstorben war, mussten wir uns um meinen Schwiegervater kümmern, der durch einen Schlaganfall teilweise rechtsseitig gelähmt ist und an Demenz leidet. Mein Mann und ich sind durch das Betreuungsgericht als Betreuer für ihn bestellt worden. Wir sind berufstätig und konnten uns nicht genügend um ihn, der bis zum Einzug in das Cura-Seniorenheim alleine in einem Einfamilienhaus gelebt hat, kümmern. Daher waren wir froh, dass wir ihn in der Pflegeeinrichtung in der Silberhöhe untergebracht hatten. Gleich um die Ecke hatte er 30 Jahre gewohnt.

Von seinem Einzug bis Ende Februar 2019 hat er ca. 1.050 Euro für den Platz bezahlt, ab 1. März zahlte er dann 312,85 Euro mehr durch die Erhöhung des Pflegesatzes und ab 1. Mai zahlt er nun für die Investitionskosten 299,03 Euro mehr. Wir haben ebenfalls beim Landesverwaltungsamt Beschwerde eingelegt. Was uns am meisten stört, ist, dass er noch nicht einmal ein Jahr in der Einrichtung wohnt und die höheren Kosten zahlen muss und, wenn wir es richtig verstanden haben, die Erhöhung der Investitionskosten bisher nur diejenigen zahlen, die Selbstzahler sind, da die Verhandlungen über die Höhe der Investitionskosten die stellvertretend für die Nichtselbstzahler die Sozialagentur führt, noch nicht abgeschlossen sind. Mein Schwiegervater kann sich den Platz derzeit noch leisten, wobei bei ihm andere Sachen aufgrund dessen jetzt nicht mehr so einfach zu regeln sind.

(Familie Altendorf, per Mail)

Die veröffentlichten Lesermeinungen müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Die Redaktion behält sich das Kürzen von Leserbriefen vor. Briefe und E-Mails bitte mit vollem Namen und Postanschrift versehen. (mz)

Im Cura Seniorenzentrum auf der Silberhöhe werden 230 Frauen und Männer betreut. Jetzt gibt es Ärger wegen einer saftigen Kostensteigerung.
Im Cura Seniorenzentrum auf der Silberhöhe werden 230 Frauen und Männer betreut. Jetzt gibt es Ärger wegen einer saftigen Kostensteigerung.
Silvio Kison