Diskus-Star Nadine Müller: Diskus-Star Nadine Müller: Wie ihr Neuanfang nach der gescheiterten Ehe aussieht

Halle (Saale) - Die ältere Frau kann ihre Aufregung nicht unterdrücken. Als sie Nadine Müller erkennt, geht sie auf die Sportlerin zu, tätschelt ihr lachend die Schulter. „Ich freue mich so für Sie“, sagt die Unbekannte auf der Straße. „Meinen Glückwunsch!“ Und die so spontan Gelobte? Lächelt zurück. Keine Frage, es fühlt sich gut an, dass die Leute teilhaben an ihrer Begeisterung über den gerade gelungenen EM-Silbermedaillengewinn.

Die Anerkennung hilft zugleich, mit anderen, weniger schönen Momenten in ihrem Leben fertig zu werden. Sportlich läuft es tatsächlich gerade wieder top. Endlich hat die durch Verletzungen immer wieder gebeutelte Hallenserin ihren Diskus bei einer großen Meisterschaft weit genug für einen Podiumsplatz gewuchtet. Außerhalb des Wurfringes ist jedoch nicht alles rosarot. Aber der Erfolg macht es sicher etwas leichter, über einen Misserfolg auf anderer Ebene zu reden.

Lange hat Nadine Müller mit sich gerungen, ob sie mit diesem einschneidenden privaten Erlebnis überhaupt in die Öffentlichkeit gehen sollte. Nun sitzt die 32-Jährige in dem Café auf dem halleschen Boulevard. Und berichtet von ihrer gescheiterten Ehe.

Am Dienstag war im Amtsgericht Halle ihr Scheidungstermin. Nur noch ein formeller Schlussakt. Trotzdem stimmt dieser sie traurig. „Es hat eben nicht funktioniert mit uns“, sagt die Blondine. Eine Niederlage, wie sie heftiger wohl kaum ausfallen kann.

Über die Beziehung zu ihrer damaligen Freundin Sabine hatte die zurückhaltende Sportlerin anfangs nicht öffentlich gesprochen. Erst mit der Hochzeit am 31. Dezember 2013 hatte sie sich zu ihrer beider Liebe bekannt. Und damals für Aufsehen gesorgt: Frau liebt Frau.

Auch wenn in der heutigen Zeit gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesellschaftlich toleriert werden, scheinen sie doch für viele immer noch etwas Außergewöhnliches zu sein. Trotz aller guten Vorsätze haben sie diese Liebe nicht festhalten können. Ende 2016 begann es zu kriseln, vor mehr als einem Jahr schließlich haben sie beschlossen, wieder getrennte Wege zu gehen. Nun also ist es offiziell.

Dass sich Nadine Müller gerade jetzt erklärt, hat noch einen anderen Grund: Nach dem EM-Silbermedaillengewinn vor zehn Tagen in Berlin hatten einige Medien ihre Ehe als Auftrieb für den sportlichen Aufschwung vermutet. Das will sie nun geraderücken. Der Trennungsschmerz ist schließlich nicht mehr so präsent.

„Dafür war das letzte Jahr schon sehr schwierig“, gibt Nadine Müller zu. Den Alltag zu meistern trotz des Gefühlschaos’, erwies sich als große Herausforderung. Die Aufgabe des gemeinsamen Hauses und der Einzug in die kleine Wohnung nahe der Trainingsstätte in den Brandbergen war irgendwann unvermeidlich. Die Angst, dass am Ende vielleicht noch ihre Freundschaft auf der Strecke bleiben würde, forcierte die Entscheidung.

„Es ist eben sehr schwer, wenn dein Partner nicht aus dem Spitzensport kommt“, berichtet Nadine Müller über ihre Erfahrungen. Das Leben phasenweise aus dem Koffer, die Trainingslager und Wettkampfreisen haben ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt.

Aber auch der Alltag zu Hause brachte ungeahnte Probleme. „Nach einer Trainingseinheit im Kraftraum kommst du am Abend geschafft nach Hause und du willst lieber auf die Couch, anstatt mit dem anderen ins Kino zu gehen“, nennt Nadine Müller einen der Reibungspunkte. Das Wissen, dass sie das Schicksal mit vielen anderen Leistungssportlern teilt, hat sie in solchen Augenblicken nicht trösten können.

Geholfen haben ihr in den schweren Stunden dafür ihre Freunde aus der Werfergruppe samt Trainer René Sack, denen ihre Gefühlslage natürlich nicht verborgen bleiben konnte. Und später auch eine neue Partnerschaft.

Wer die Frau ihres Herzens ist, will die Leichtathletin nicht verraten. Doch sie kommt wie sie aus dem Hochleistungssport und kennt all die Tücken und Fußangeln, die der Athletenalltag so mit sich bringt. Gerade ist sie mit den Wildcats in die erste Handball-Bundesliga aufgestiegen.

Wenn diese im September scharfen Saisonstart haben, fängt Nadine Müllers Urlaub an. Die einwöchige Reise an die Costa del Sol in den Club der Besten, die die Deutsche Sporthilfe allen EM- und WM-Medaillengewinnern sportartenübergreifend jährlich spendiert, tritt die Vizeeuropameisterin deshalb mit ihrer besten Freundin an. Und sie nutzt die Freizeit, um mit Polly Gassi zu gehen, ihrer Labradorhündin, die sie seit dem Ehe-Aus nicht mehr immer um sich haben kann.

Auch wenn die Umstände nun nicht mehr perfekt erscheinen, so fühlt Nadine Müller sich doch wieder auf einem guten Weg. Sportlich. Und privat.

Bei der EM Anfang August in Berlin lag Nadine Müller lange mit 63 Metern glatt auf Goldkurs. Erst im vorletzten Versuch wurde die Hallenserin doch noch von der haushohen Favoritin Sandra Perkovic (Kroatien/67,62 Meter) überflügelt.

Dennoch: EM-Silber ist nach zwei mageren Jahren und Verletzungen im Fuß und am Rücken ein Riesenerfolg. 2011 war die Diskuswerferin, die von der Bundespolizei gefördert wird, schon einmal Vizeweltmeisterin und 2015 WM-Dritte. Ihr erstes EM-Silber hatte sie sich 2012 gesichert. Aus diesem Jahr stammt auch ihre Bestmarke, die 68,89 Meter.

Die 32 Jahre alte Sportlerin will ihre Karriere bis mindestens 2020 fortsetzen und sich in Tokio den Traum von einer Olympiamedaille erfüllen. In diesem Jahr warten auf Nadine Müller noch hochkarätige Einsätze: Nach dem Diamond-League-Finale in neun Tagen in Brüssel ist noch ein Wettkampf in Zagreb und der Kontinental-Vergleich in Ostrava.

(mz)