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Die Minze aus dem Katalog

Von INES KRAUSE 02.12.2008, 17:27

HALLE/MZ. - An "ungünstigen Tagen" liegt etwa der Geruch von Doldengewächsen oder Weinraute in der Luft. "Das ist allerdings sehr gewöhnungsbedürftig", sagt Eva Bremer, Chefin der Samenabteilung. Denn besagte Pflanzen verströmen eher Gestank als Duft.

Doch daran erinnert absolut gar nichts, als Patrick Siol und Frank Henning ihren Arbeitstag in der Samenstube beginnen. Konzentriert suchen die Finger der beiden am Tisch sitzenden Gärtner in einer Holzschale, in der duftende Samen ausgebreitet sind. Sie finden winzige Schmutzpartikel und sieben und sortieren überflüssige Pflanzenteile aus.

"Bei uns ist noch alles Handarbeit", sagt Eva Bremer. Die Gartenbauingenieurin beantwortet zugleich eine Frage, die sich wohl so mancher schon gestellt hat. Was kaum einer weiß: Die gut beheizte Samenstube wird im Winter für einen Teil der Gärtner des Botanischen Gartens zur Arbeitsstätte. Denn während es in der kalten Jahreszeit im Freiland für den grünen Berufsstand deutlich weniger zu tun gibt, herrscht in der Samenstube Hochkonjunktur.

Hier werden im Sommer von den Pflanzen des Uni-Gartenreichs provisorisch entfernte Samen getrocknet, katalogisiert, in eine Datenbank eingearbeitet und für den weltweiten Versand vorbereitet. Selbst ganze Früchte nehmen sich die Gärtner vor. Dabei werden exotische Gewächse wie etwa der aus Asien stammende Wachskürbis oder die in Südamerika heimische Melonenbirne systematisch bearbeitet. Um an die im Inneren der Frucht sitzenden Samen zu gelangen, muss durch einen kontrollierten Gärungsprozess das Fruchtfleisch von den festsitzenden Samen gelöst werden.

"Wir haben im Jahr etwa 3 000 Anfragen von wissenschaftlichen Einrichtungen aus aller Welt", sagt Bremer. Das Ganze ist als globales Netzwerk angelegt, bei dem etwa 800 Institute aus aller Welt untereinander für die Forschung benötigte Pflanzensamen anbieten und tauschen. Eine Idee übrigens, die schon sehr alt ist und einst ihren Ursprung in Halle hatte. Denn bereits im Jahr 1797 erstellte der damalige Direktor des Botanischen Gartens der Saalestadt, Kurt Sprengel, ein für seine schon recht umfassendes Samen-Verzeichnis für den König. Dieses wollte er ausdrücklich als Grundlage für einen regen Tauschhandel verstanden wissen.

Heute ist der Samenhandel weltweit eine kostengünstige Variante, mit deren Hilfe wissenschaftliche Einrichtungen ihren Bestand pflegen und erweitern können. "Das Ganze funktioniert nach dem Prinzip, was der eine nicht hat, besitzt ganz gewiss ein anderer", sagt Garten-Kustos Matthias Hoffmann. Allein im Botanischen Garten in Halle haben die Gärtner im Verlauf dieses Sommers rund 2 400 verschiedene Samen gesammelt. Diese werden natürlich nicht nur versandt. "Es ist auch gut, wenn wir in unserem Katalog einen Bestand haben, auf den wir zurückgreifen können, falls uns Pflanzen eingehen", so Hoffmann.

Mindestens bis zum Jahresende haben die Gärtner in der Samenstube alle Hände voll zu tun. Noch ist der separate Raum, in dem das unbearbeitete aber bereits vorgetrocknete Samenmaterial lagert, gut gefüllt. Doch Eva Bremer gibt sich optimistisch: "Zu Beginn des neuen Jahres fängt der Versandhandel an. Bis dahin muss alles fertig sein".