Deutscher Vize-Tramp-Meister aus Eisleben Deutscher Vize-Tramp-Meister aus Eisleben: Per Anhalter ins Büro

Halle (Saale) - In Sibirien froren ihm bei minus 30 Grad Celsius Nase und Wimpern zu, als er mit einem Russen einen Lastwagen reparierte. In China stellte er sich mitten auf eine Autobahn, um überhaupt ein Fahrzeug zum Halten zu bringen. Und in Afghanistan traute er sich gar nicht erst, irgendwo einzusteigen. Gregor Majewski liebt das Trampen. Der 40-Jährige könnte ganze Abende mit seinen Geschichten füllen. Im vergangenen Jahr holte er mit ausgestrecktem Daumen am Straßenrand den Titel „Deutscher Tramp-Meister“. Vor wenigen Tagen kehrte er von seiner jüngsten Reise zurück. Eisleben bis Amerika und alles auf dem Landweg - das war zumindest der Plan.
Fast neunmal um die Erde getrampt
Der drahtige Mann mit den dunkelblonden Haaren sitzt in seinem Garten in Eisleben. Neben seinen Hühnern und Bienen fühlt er sich daheim. Doch ein Mal im Jahr packt es ihn. Dann schnürt er seinen großen Rucksack und stellt sich an die Straße. Er ist in seinem Leben schon 350.000 Kilometer per Anhalter gefahren - rechnerisch fast neunmal um die Erde. Seine letzte Reise brachte ihn 25.000 Kilometer voran.
Majewski hat noch ein braun gebranntes Gesicht von dieser Tour. Im Januar startete er in Eisleben, stellte sich einfach mit einem Schild an die Straße. „Ich wollte zum ersten Mal in die USA“, erklärt er seine Motivation. Zwei Tage später war er in Moskau. Es sollte über den Landweg in die Vereinigten Staaten gehen - Osteuropa, Russland, Alaska, Kanada, so der Plan. Bei Temperaturen um die minus 25 bis 30 Grad Celsius trampte er durch Sibirien. Unterwegs half er unter anderem einem Lkw-Fahrer, seinen Truck zu reparieren. „Wir mussten bei der Kälte erst einmal alle Teile mit einem Brenner erhitzen.“
„Hitch-Hiker sind meistens Obdachlose“
In Jakutsk - kurz vor dem Ende des eisigen Landes - musste er seine Pläne ändern: Keine Fähre, kein Flugzeug führten über die etwa 80 Kilometer breite Beringstraße, die er eigentlich queren wollte. Also trampte er spontan 3.000 Kilometer in den Süden nach Wladiwostok. Dort fand er das erste Tramperdenkmal seines Lebens - eine Bronzefigur mit ausgestrecktem Daumen. Mit der Fähre ging es weiter nach Südkorea. „Dann musste ich, obwohl ich mich so lange gesträubt hatte, mit dem Flugzeug nach Los Angeles fliegen“, sagt er. Ein Alptraum für den ökologisch bewussten Mann. In den USA ging das Trampen nur schwer. „Hitch-Hiker sind meistens Obdachlose“, erklärt er. Entsprechend schlecht ist das Image. Er fuhr daher nach Kanada, querte das Land und machte sich an der Ostküste auf den Weg nach Miami. Er besuchte das sozialistische Kuba und fuhr mit Fähre und Auto aufs Festland nach Mexiko und landete am Ende vor dem dichten Dschungel in Panama. Ab da ging es nicht weiter.
Lesen Sie auf Seite zwei weiter, in welchen Situationen es dem Vollblut-Tramper dann doch zu gefährlich wurde.
Jeden Tag per Anhalter nach Halle
„Trampen ist nicht veraltet, sondern dynamisch und verändert sich wie sich auch die Gesellschaft verändert“, erklärt der Vorsitzende des Vereins Abgefahren, Jona Redslob. Nach seiner Erfahrung trampen auch wieder mehr Menschen in Deutschland. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Viele reisten aus Abenteuerlust, Neugier am Fremden und einige natürlich auch aus Geldnot.
„Ich trampe schon immer“, sagt Gregor Majewski. In der 11. Klasse fing er an. Auch den Weg zur Arbeit im rund 30 Kilometer entfernten Halle fährt er noch per Anhalter. „Das ist ökologischer“, betont er. Es klappe immer. „Länger als 20 Minuten steh ich nirgends“, sagt er, „zumindest vom Gefühl her.“ Real habe er schon auch mal stundenlang in praller Sonne oder bei eisiger Kälte ausharren müssen. In China habe er sich einfach mitten auf eine Autobahn gestellt, gewinkt und so Fahrzeuge zum Halten gebracht. „Dann bin ich ganz aufdringlich eingestiegen und hab nach vorn gezeigt“, sagt er, der sich sonst meist gut mit Fremdsprachen helfen kann. Es hat funktioniert.
„In Afghanistan hab ich mich nicht in ein Auto getraut“
Schon dreimal nahm Majewski an den Deutschen Tramp-Meisterschaften teil. Im vergangenen Jahr legte er mit seiner Team-Kollegin Jaqueline Staps die Strecke von Aachen bis ins knapp 400 Kilometer entfernte Ambleteuse (Frankreich) am schnellsten zurück - und wurde Deutscher Tramp-Meister. In diesem Jahr erreichte er das Ziel - die polnische Ostseeküste - allerdings „nur“ als Zweiter.
Schlechte Erfahrungen hat er auf seinen Reisen fast nie gemacht. „In Afghanistan hab ich mich nicht in ein Auto getraut“, gibt er zu. Da nahm er den Bus. Das Trampen war lebensgefährlich.
In Finnland wurde ihm mulmig, als sein Fahrer in eine abgeschiedene Straße abbog, dabei lud der ihn zu sich nach Hause ein. „Ich reise, um andere Kulturen kennenzulernen.“ Das treibe ihn immer wieder an. Seine Touren finanziert Majewski quasi nebenbei. Er unterrichte als Musiklehrer an freien Einrichtungen in Halle und Eisleben. Die Stundenpläne baue er um seine Reisen herum. Weihnachten bis mindestens April halte er sich frei. (dpa)