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Der Maler Lutz Bolldorf Der Maler Lutz Bolldorf - Künstler der Region - Serie, Teil 1

Von Andreas Montag 10.07.2018, 09:11
Der Maler Lutz Bolldorf in seinem halleschen Atelier
Der Maler Lutz Bolldorf in seinem halleschen Atelier Silvio Kison

Halle (Saale) - Er hat seine Mitte gefunden. Den Platz, an dem er leben und arbeiten kann. Die Ruhe, den Zumutungen des Alltags und den Leidenschaften gelassener zu begegnen. Und empfindsam für das Schöne zu bleiben. „Wenn ein Kind einen Purzelbaum macht, ist das ein Bild für mich“, sagt Lutz Bolldorf.

Ein Satz zum Einrahmen, ein Programm geradezu. Aber ganz unprätentiös gesprochen, aus der Hüfte sozusagen, über den alten Nähmaschinentisch hinweg, an dem wir uns gegenübersitzen. Der Ort ist still, eine Art Wintergarten mit Blick und offenem Durchgang zum begrünten Hof.

Ein Refugium, fast ein Idyll im halleschen Künstlerrevier, dem nördlichen Rand der Stadt ebenso nahe wie ihrem Zentrum. Und an einer viel befahrenen, staubigen und weniger beachteten Straße gelegen, wo die Fassaden der anliegenden Häuser zumeist schmucklos, fast abweisend sind und keine Neugier wecken. Hallescher Charme eben.

„Atelier Bolldorf“ bei vielen Hallensern unvergessen

Dahinter aber, folgt man einem schlauchartigen Gang, der zwischen zwei Gebäuden entlang führt, öffnet sich eine eigene, wie verzauberte Welt. Bei Bolldorf ist es jedenfalls so. Hier haben das Haus und sein Bewohner zueinander gefunden. Junge, trendige Menschen würden wahrscheinlich jauchzen vor Entzücken: Vintage und Patina, wohin man sieht.

Aber der Raum, den Bolldorf sich zu eigen gemacht hat, und die Dinge, mit denen er sich umgibt, sind nicht auf Flohmarkt-Schick getrimmt, sie sind gewachsen. Und verwachsen mit ihm, der ja selbst kein heuriger Hase mehr ist. 65 Jahre alt wird der Marx-bärtige, kräftige Mann in diesem Spätsommer. Und bekommt, auch aus diesem Anlass, eine Ausstellung vom Halleschen Kunstverein ausgerichtet.

Die Eröffnung wird am 19. August im Künstlerhaus 188 am Böllberger Weg gefeiert, die Finissage am 9. September fällt mit dem runden Geburtstag des Künstlers zusammen. Dann dürfte wieder ein Fest fällig sein.

Malerei von Bolldorf: Publikum wird Augen machen

Angesichts der Bilder werden nicht wenige Hallenser Augen machen, denn der Name Bolldorf hat noch immer einen besonderen Klang in der Stadt. Zumindest für jene, die den abendlichen Kneipengang mit Freunden zur Kultur zählen. Die werden das „Atelier Bolldorf“ oder kurz „das Bolldorf“ nicht vergessen haben.

Für viele Szenegänger war es das schönste Wirtshaus der Stadt, das der Maler seit den 90er Jahren in seinem Domizil samt luftigem Garten an der Wittekindstraße betrieb. Dort ist er allerdings nur Mieter gewesen, nicht Eigentümer - ein Unterschied, den man, aus der DDR kommend, schon mal weniger wichtig nehmen konnte in den ersten Jahren der neuen Zeitrechnung.

Bolldorf winkt ab, das ist Geschichte. Und das Ende der Kneipe hat auch einen wesentlichen Vorteil gehabt: Der Maler hat sich daran erinnert, dass er Maler ist. Vergessen hatte er das nie, aber doch ein bisschen aus dem Blick verloren in all dem Trubel. Es waren jedoch wohl auch Skrupel und Selbstzweifel, die ihn zögern ließen, das für ihn Eigentliche zum Mittelpunkt zu machen.

Bolldorf hat seinen Weg gefunden

In den 80er Jahren war der ehemalige Burgstudent zwar Mitglied des Künstlerverbands geworden, hatte aber, wie er sagt, „nie großes Selbstvertrauen“ und drängte sich auch nicht nach eigenen Ausstellungen. Dabei hatte er sein Handwerk ordentlich gelernt an der halleschen Burg und als Junge schon bei Christa Krug, einer Schülerin von Lea Grundig.

Das war in Leuna. Dorthin war die Familie von Halle gezogen, dort hat Bolldorf 1973 seine Berufsausbildung mit Abitur abgeschlossen. Ein Jahr lang hat er als Gebrauchswerber gearbeitet, dann ging er nach Halle zurück und wollte Kunst studieren. In Leipzig haben sie ihn drei Mal abblitzen lassen, mit vertrackten Fragen zur Kunstgeschichte aufs Kreuz gelegt. In Halle dagegen fanden Sitte & Co., aus dem Burschen könnte was werden.

„Ich habe immer wieder Schwein gehabt“, sagt Bolldorf. Auch, nachdem er von der Hochschule geflogen war, weil er sich im unvermeidlichen Armeelager nicht ordentlich betragen hatte. Das spricht keinesfalls gegen ihn. Und er hat seinen Weg schließlich auch so gefunden.

Energie kommt zurück

In seinem Haus empfängt er zur Malschule, Kinder wie Erwachsene. Das kostet Kraft, gibt ihm aber auch Energie zurück. Und er arbeitet. Nicht täglich, aber regelmäßig. „Unkraut im Garten zupfen, einkaufen, etwas Gutes kochen, ein schönes Bild malen“ - so beschreibt Bolldorf seinen Plan. „Das Malen an sich ist für mich die Freude“, sagt er. Und das sieht man seinen Bildern an.

Heiter bis wolkig wird man die Stimmung nennen können, aber die Heiterkeit überwiegt auf den Gemälden, die in seinem Haus entstehen, das Lebensraum, Werkstatt und Ruhepol zugleich ist. Bolldorfs Paradies, in dem er nackt über den Hof gehen kann, wenn ihm danach ist. „Das Fernweh ist weg“, hat er bemerkt. Es klingt kein bisschen traurig.

Viele seiner Bilder zeigen Menschen am Meer, überhaupt ist Bolldorf ein Menschenmaler. Oft sind seine Figuren nah beieinander, so auf dem anrührenden Familienbildnis „Stolzer Opa“ - mit dem Künstler selbst. Manchmal gehen die Menschen auch aneinander vorbei wie die „Strandläufer“ oder wirken gerade wegen ihrer Nähe in einer Pose beinahe erstarrt („Fürs Fotoalbum“).

Und eine Frau offenbart sich in skeptischen, fast schroffen und zugleich zärtlichen Porträts, in denen der Maler für - und über sie spricht. Kräftige Farben gibt es auf Bolldorfs Gemälden, dazu gekonntes Spiel mit Licht und Schatten. Und einen Ton von Melancholie, der legitimen Schwester der Heiterkeit.

Solche Bilder malt man, wenn man eins ist mit sich. „Ich male lieber, wenn ich mich wohlfühle“, beschreibt Bolldorf seine Haltung zum Beruf. Falls das Luxus zu nennen wäre: Er sollte jedem Werktätigen zugestanden sein. (mz)

#teaaer