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  7. Anschlag in Halle: Wie Schulen mit dem Terror umgehen

Fünf Jahre nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle Der Anschlag im Unterricht: Wird in Halles Schulen über den Terrorakt gesprochen?

Wie gehen Schulen in Halle mit dem Anschlag vom 9. Oktober um? Sollte im Unterricht darüber überhaupt gesprochen werden? Was Schulleiter sagen und warum das nicht so einfach ist.

Von Denny Kleindienst Aktualisiert: 09.10.2024, 10:10
Mit Kränzen vor der Synagoge wird stets zum Jahrestag an die Opfer des Anschlages vom 9. Oktober 2019 erinnert.
Mit Kränzen vor der Synagoge wird stets zum Jahrestag an die Opfer des Anschlages vom 9. Oktober 2019 erinnert. Foto: dpa

Halle (Saale)/MZ - Der 9. Oktober fällt dieses Jahr in die Herbstferien. Wenn am Mittwoch, zum fünften Jahrestag des Halle-Anschlags, Blumenkränze vor der Synagoge und vor dem ehemaligen Kiez-Döner niedergelegt werden, wenn wie am Samstagabend schon einige Tage zuvor der Leipziger Synagogalchor in der Ulrichskirche ein Benefizkonzert in Gedenken an den Anschlag gibt, so können Lehrkräfte diesmal nicht den Jahrestag zum Anlass nehmen, um mit ihren Schülern darüber zu sprechen, was vor fünf Jahren in Halle passiert ist.

Doch wird der antisemitisch und rassistisch motivierte Terroranschlag vom 9. Oktober 2019 in den Schulen überhaupt thematisiert? Und ist es von Lehrkräften nicht zu viel verlangt, ihn mit den Schülern zu analysieren?

Zumindest scheinen viele Lehrer wissen zu wollen, wie sie es richtig machen können. Die Bildungsreferentin Lena Lehmann vom Verein Miteinander sagt, dass die Anfragen von Schulen zunehmen. Jüngst fand in Halle auch ein Fachtag für Lehrkräfte unter dem Titel „Der Anschlag vom 9. Oktober - Erinnern, Solidarisieren, Reagieren“ statt.

Lehrkräfte geben Aufklärung lieber an Experten weiter

Dort ging es um den professionellen Umgang mit der Radikalisierung von Jugendlichen, speziell aber auch darum, wie man sich in der Schule mit dem Anschlag auseinandersetzen kann? Mit 80 Lehrern von mehreren Schulen aus Halle und Umgebung war der Fachtag ausgebucht.

In Gedenken an den Halle-Anschlag gab der Leipziger Synagogalchor am Samstag ein Benefizkonzert in der Ulrichskirche, bei dem Spenden für die Jüdische Gemeinde in Halle gesammelt wurden.
In Gedenken an den Halle-Anschlag gab der Leipziger Synagogalchor am Samstag ein Benefizkonzert in der Ulrichskirche, bei dem Spenden für die Jüdische Gemeinde in Halle gesammelt wurden.
Foto: Denny Kleindienst

Lena Lehmann sagt, dass Lehrkräfte dankbar sind, wenn ihnen praktische Herangehensweisen gezeigt werden. Denn „Rechtsextremismus ist präsent an unseren Schulen“. Sei es in Klassenchats oder als Sticker. Weil der Verein Miteinander all die Anfragen von Schulen gar nicht bewältigen könne, „ist es uns wichtig, Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte zu stärken und ihnen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten der Auseinandersetzung es gibt“.

MZ-Serie: Fünf Jahre nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle

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Einen Haken hat das allerdings: Lena Lehmann hat von Lehrern, die im Unterricht über Rassismus oder Diskriminierung sprechen, auch erfahren, dass deren Schüler das Gefühl haben, ihnen werde eine Meinung aufgedrückt. Schüler wie Lehrer würden sich daher Bildungsreferenten wünschen, die von außen kommen.

Besuch der Tatorte kann Schüler aufwühlen

Lena Lehmann findet, dass der Anschlag von Halle in den Schulen thematisiert werden sollte. „Über das Gedenken wird Verantwortung gestärkt.“ Die Orte des Anschlags dann auch zu besuchen, könne zu einem Perspektivwechsel führen und das Empathievermögen stärken – könne Schüler allerdings auch überwältigen.

Der Vorteil einer Lehrkraft in so einem Fall sei wiederum, dass sie dies merkt, weil sie ihre Schüler kennt, so die Bildungsreferentin.

Am Südstadt-Gymnasium gab es am 9. Oktober des letzten Jahres eine Gedenkminute. „Wir sind auch Paten von zwei Stolpersteinen“, sagt Schulleiter Martin Huppertz. Ein Projekt, dass sich mit Antisemitismus auseinandersetzt, gab es auch schon. Huppertz ist das wichtig. Zumal „wir Schüler haben, die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind“.

Schüler kommen regelmäßig an Orten des Geschehens vorbei

Der Anschlag sei allein schon deshalb bei den Schülern präsent, da sie auf dem Weg zur Schule an den Orten des damaligen Geschehens vorbei kämen, da sie die Gedenktafeln, den Polizeicontainer vor der Synagoge sowie die niedergelegten Kränze zum Jahrestag sehen würden, sagt Thomas Gaube, Leiter des Giebichenstein-Gymnasiums (TMG).

Und doch sieht er es durchaus als Aufgabe der Schulen, den Anschlag nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Wo es passt, passiere das auch. „In den weiterbildenden Fächern findet man dafür Anknüpfungspunkte.“

Auf den Rassismus-Vorwurf gegen eine Lehrerin habe man am TMG laut Gaube reagiert, indem eine neue Struktur entwickelt wurde. Bald soll es einen Vertrauenslehrer pro Jahrgang geben, an den Schüler sich wenden und unangemessenes Verhalten melden können.