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Deponie Halle-Lochau Deponie Halle-Lochau: Leise rieselt der Müll

Von Peter Godazgar 31.08.2015, 08:18
Bis 2007 halfen Menschen bei der Vorsortierung, inzwischen geht alles vollautomatisch. Gerade mal drei Kollegen sind pro Schicht anwesend und schauen, wie hier Schichtleiter Steffen Dietrich, ob alles läuft.
Bis 2007 halfen Menschen bei der Vorsortierung, inzwischen geht alles vollautomatisch. Gerade mal drei Kollegen sind pro Schicht anwesend und schauen, wie hier Schichtleiter Steffen Dietrich, ob alles läuft. Silvio Kison Lizenz

Schkopau/Halle (Saale) - „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Das berühmt-berüchtigte Zitat von Altbundeskanzler Helmut Kohl kann einem durchaus in den Sinn kommen bei einem Besuch der Restmüllsortieranlage auf der Deponie Halle-Lochau. Hier lässt sich beispielhaft veranschaulichen, wie wenn schon nicht Dreck zu Gold, so doch immerhin Müll zu Geld gemacht wird.

Eigentlich sortieren die Hallenser ihren Müll ja brav in graue, gelbe, braune und blaue Tonnen. Dass es da aber noch Reserven gibt - auch das zeigt sich in Lochau, das zur Gemeinde Schkopau gehört. Hier landet der komplette Restmüll der Stadt. Die Experten sprechen vom „Siedlungsmüll“. Rund 55.000 Tonnen sind das pro Jahr.

Der Geschäftsführer der Abfallwirtschaft GmbH Halle-Lochau, Michael Arndt, spricht selbstbewusst von der „besten Sortieranlage“ weit und breit. Der 56-Jährige bringt das Kunststück fertig, eine Führung nicht nur kompetent, sondern auch amüsant zu gestalten.

Kein Ort für zarte Näschen

Interessanterweise bildet die Sortieranlage auf dem schematischen Bildplan des Betriebsgeländes nur ein winziges gelbes Viereck. Arndt nickt: So gesehen ist die Anlage tatsächlich nur ein Mosaikstein. „Was wir hier haben, das ist gelebte Kreislaufwirtschaft.“

In der Sortieranlage spielt sich das Hauptgeschehen in zwei riesigen Hallen ab: In der ersten - der Anlieferungshalle - kippen die Müllfahrzeuge an, was sie zwischen Ammendorf und Tornau gesammelt haben. Wahrlich kein Ort für zarte Näschen - allerdings tatsächlich nur in der Halle: eine sogenannte „Luftschleieranlage“ verhindert, dass der „Duft“ nach außen dringt.

Ein wuchtiger Greifarm fährt wieder und wieder in den nie kleiner werdenden Berg hinein, packt den Müll und hebt ihn in den „Vorschredder“. Der heißt wirklich so, er schreddert den Müll auf maximal 25 Zentimeter Größe. Weiter geht es über Fließbänder in die zweite Halle, die Maschinenhalle. Auch dort: Fließbänder, Fließbänder, Fließbänder.

Bis 2007 wurde die Vorsortierung noch von Menschen erledigt, seither läuft alles vollautomatisch. Ganze drei Kollegen arbeiten pro Schicht in der Anlage.

Es rattert und rumpelt und zischt - der Geruch ist schon deutlich erträglicher. Die Müllpartikel werden kleiner und kleiner - und sie werden tatsächlich, quasi von Meter zu Meter, sortenreiner. Ganz am Schluss rieselt der Müll leise auf zwei Haufen: auf den Haufen mit dem hochkalorischen Müll und den mit dem biologischen.

Weitere Informationen zur Deponie in Lochau lesen Sie auf Seite 2.

Hochkalorisch, so nennt Arndt jenen Müll, der dann in diversen Verbrennungsanlagen hohe Energiemengen liefert. So hohe, dass die Effizienz mit der von Steinkohle vergleichbar ist. Was die Lochauer zusätzlich auszeichnet, ist die Herstellung eines braunkohleähnlichen Brennstoffs, der vor allem mit biologischen Reststoffen hergestellt wird.

Was ebenfalls mit erstaunlicher Präzision herausgefischt wird: rund 2 000 Tonnen Schrott pro Jahr, das macht 130 Lkw-Ladungen. Auch sie bringen dem Unternehmen bares Geld.

Der so sortierte Müll wird also verbrannt, die Asche - nächster Abschnitt des Kreislaufs - kommt zurück nach Lochau, wird erneut aufbereitet und dann dazu verwendet, die alte Deponie mit einer Oberflächendichtung zu versehen. So erfüllen die allerletzten Reste des Restmülls letztlich sogar einen „Rekultivierungsauftrag“, sagt Arndt. Das ist nicht übertrieben: Mittelfristig soll auf der 100 Hektar großen Fläche ein Wald wachsen. Schon jetzt ist das Gebiet an drei Jäger verpachtet - Arndt macht eine ausholende Geste: „Wildschweine, Rehe, Greifvögel - wir haben alles.“ Und am dritten Sonntag im September findet das erste „AWH-Rundstreckenrennen“ statt: Dann können Radfahrer einen Sechs-Kilometer-Rundkurs übers Deponiegelände in Angriff nehmen.

Biomasse wird zu Braunkohle

Wie auf einer Mülldeponie sieht es in Lochau schon lange nicht mehr aus. Dabei wurden dort seit Mitte der 1970er Jahre rund 19 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle abgekippt. Zuvor baute man Braunkohle ab. Im Gespräch bricht Michael Arndt immer wieder eine Lanze für den Standort. Kein Wunder, insgesamt arbeiten dort inzwischen rund 150 Menschen bei verschiedenen Unternehmen.

So gibt es ein Biogas-Unternehmen, aber auch eine Versuchsanlage zur Herstellung von sogenannter HTC-Kohle. HTC steht für Hydrothermale Karbonisierung und meint ein zukunftsträchtiges chemisches Verfahren, bei dem Biomasse im Laufe eines halben Tags in Braunkohle umgewandelt wird.

So komplex die Abfall- und Recyclingindustrie inzwischen geworden ist, so angreifbar ist sie aber auch: „Wir sind börsengetrieben“, sagt Arndt unumwunden. Sinken beispielsweise die Rohstoffpreise, sinkt der Preis für recycelte Stoffe ebenfalls sofort. Und Arndt weiß natürlich auch, dass es in der Abfallbranche schwarze Schafe gibt. „Wir zeigen, dass es sauber geht.“ (mz)

Per Greifarm wird der frisch angelieferte Restmüll in den Vorschredder geworfen. Pro Jahr werden allein 2 000 Tonnen Schrott aussortiert.
Per Greifarm wird der frisch angelieferte Restmüll in den Vorschredder geworfen. Pro Jahr werden allein 2 000 Tonnen Schrott aussortiert.
Silvio Kison Lizenz