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Das Ende der DDR-Währung Das Ende der DDR-Währung: Woran sich eine Sparkassen-Mitarbeiterin aus Halle erinnert

Von Dirk Skrzypczak 30.06.2020, 15:30
Als würde er einen Sack Mehl tragen: Dieser Mitarbeiter der Sparkasse hat am 30. Juni 1990 einen Sack voll mit D-Mark auf der Schulter. Volkspolizisten beobachten ganz entspannt die Szenerie. Die wertvolle Fracht wurde in einem gewöhnlichen Barkas quer durch Halle gekutscht.
Als würde er einen Sack Mehl tragen: Dieser Mitarbeiter der Sparkasse hat am 30. Juni 1990 einen Sack voll mit D-Mark auf der Schulter. Volkspolizisten beobachten ganz entspannt die Szenerie. Die wertvolle Fracht wurde in einem gewöhnlichen Barkas quer durch Halle gekutscht. Saalesparkasse

Halle (Saale) - Als am 30. Juni 1990, es ist ein Samstag, die letzten Kunden gegen 17 Uhr die Sparkassenfiliale am Lutherbogen verlassen, fängt für Carola Bartholomäus und ihre Kollegen die Arbeit erst richtig an. „Wir haben die Bargeldbestände in DDR-Mark per Hand gezählt, in einen großen Sack gepackt, ihn zugenäht und verplombt“, erinnert sich die heute 58-Jährige. Dass in der Filiale seit Wochen auch bis in die späten Abendstunden hinein gearbeitet wird, bleibt Nachbarn nicht verborgen.

Anwohner bringen immer wieder Blumensträuße und auch Essen vorbei. Anspannung und Vorfreude sind immens. Denn ab 1. Juli ist sie als einziges Zahlungsmittel auch in Halle da: die D-Mark, Symbol für Wohlstand und Freiheit.

Ende der DDR-Währung: Westgeld im Geldsack

Das „Westgeld“ wird übrigens in Geldsäcken und ganz unspektakulär quer durch Halle in die einzelnen Filialen der Banken gekutscht. „Bei uns sind die Haustechniker mit dem Barkas oder dem Moskwitsch herumgefahren und haben das Geld verteilt“, erzählt Carola Bartholomäus. Eine Polizeieskorte habe sie nicht gesehen, auch seien die Transporte nicht besonders gesichert gewesen.

„Vielleicht war es so gewollt, damit niemandem auffällt, mit welcher wertvollen Fracht unsere Mitarbeiter da unterwegs waren.“ Der erste Geldsack, etwa 30 mal 50 Zentimeter groß, traf schon am 29. Juni im Lutherbogen ein. Und im Vergleich zur DDR-Mark lieferte die Bundesbank seinerzeit auch eine Zählmaschine mit. Etwa 200.000 D-Mark bekam die Filiale am Lutherbogen als Erstausstattung für ihre 10.000 Kunden.

DDR-Mark wird zur D-Mark: 2.000 DM waren pro Kunde maximal möglich

„So viel D-Mark in der Hand zu haben, war schon ein komisches Gefühl. Natürlich denkt man darüber nach, was man sich dafür alles kaufen könnte“, sagt die Hallenserin, die 1977 bei der Sparkasse angefangen hatte, von 1981 bis 2017 Filialleiterin war und heute als Privatkundenberaterin in der Außenstelle Langenbogen arbeitet.

Für die Umstellung waren die Banken vom 1. bis zum 6. Juli praktisch lahmgelegt. Geld wurde in dieser Zeit nur auf Vorlage eines Schecks ausgestellt, der im Vorfeld beantragt werden musste.

2.000 DM waren pro Kunde maximal möglich. Wieviel Geld die Hallenser für die erste Woche nach der Währungsunion benötigten, mussten sie übrigens vorher angeben. Mehr gab es in den ersten Tagen nicht. Die erste Kundin am 1. Juli im Lutherbogen war übrigens eine junge Frau, die seit ein Uhr in der Nacht vor der Bank ausgeharrt hatte. Später am Sonntag war die Schlange über 100 Meter lang.

Lange Schlangen vor Filialen

„An unsere Pinnwand hatte jemand am 30. Juni den Spruch geheftet: Wir haben es geschafft. Wenig später hing dort ein neuer Zettel: Es geht weiter“, erzählt die erfahrene Bankerin. Seit Anfang 1990 hatte es in der DDR-Öffentlichkeit ständig neue Gerüchte zur Einführung der D-Mark gegeben. „Die Leute waren verunsichert. Viele haben ihr Geld abgehoben und danach wieder eingezahlt. Auch wir wussten zunächst nichts Konkretes.“ Vor den Filialen wurden Warteschlangen im Frühjahr 1990 zum Regelfall.

Die Kunden murrten. Und so sah sich der damalige Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Helmut Geiger, veranlasst, eine Warnung an die Kollegen in der DDR zu schicken. „Die privaten Banken der Bundesrepublik werden sich ganz massiv bemühen, interessante Kunden an sich zu ziehen. Jeder Ihrer Kunden, der verärgert abwandert, geht Ihrem Institut für immer verloren.“

Großer Ansturm: Sieben Tage pro Woche hatte die Sparkasse geöffnet

Die Mitarbeiter der Stadt- und Saalkreissparkasse hätten seinerzeit am Limit gearbeitet, sagt Carola Bartholomäus. 370.000 Anträge auf Kontoumstellungen oder Kontoeröffnungen mussten in wenigen Wochen bearbeitet werden.

Sieben Tage pro Woche hatte die Sparkasse geöffnet, um den Ansturm bewältigen zu können. „Für uns war das Neuland. Es hat gut geklappt. Das war eine große Leistung unserer Mitarbeiter.“ Und letztlich „haben wir Zeitgeschichte mitgeschrieben.“ (mz)

Carola Bartholomäus hat sich Scheine und Münzen der DDR als Erinnerung hinter Glas auf Papier geklebt. 1990 war sie Filialleiterin.
Carola Bartholomäus hat sich Scheine und Münzen der DDR als Erinnerung hinter Glas auf Papier geklebt. 1990 war sie Filialleiterin.
Silvio Kison