"Ich war nicht schuld" Dariusz Wosz: Die Zaubermaus aus Halle räumt zum Geburtstag ein Vorurteil aus
Halle (Saale)/Bochum - Da war er wieder, dieser Spruch, den Dariusz Wosz immer mal wieder hört, wenn es um seine Vergangenheit beim Halleschen FC geht. „Du bist Schuld, dass der HFC damals aus der zweiten Liga abgestiegen ist.“ Gesagt hat ihn Timo Lange. Am Rande eines Oldie-Fußballspiels vergangenes Wochenende in Rostock. Die alten Bochumer Recken mit Wosz kickten bei Hansa und gegen Lange. Und der spielte eben in jener so einmaligen Zweitligasaison 1991/92 im HFC-Mittelfeld neben Wosz.
Der Spruch ist als Scherz gemeint. Aber auch bezeichnend: Heute noch, kurz vor seinem 50. Geburtstag am Sonnabend, holt Dariusz Wosz sein HFC-Vergangenheit regelmäßig ein. Und wenn er mit Kumpels wie Mario Basler oder auch dem Hallenser Dirk Neubert, Chef vom Wosz-Fanshop, dann in Hattingen feiert, geht es in den Gesprächen nicht nur um seine Bundesliga-Zeit, sondern auch um Halle und den HFC.
„Hier bin ich groß geworden, ohne den HFC hätte ich diese Karriere nie gemacht“, sagt Wosz, der am Donnerstag noch mitten in der Vorbereitung eines Jugendcamps des VfL Bochum am Wochenende steckte.
Dariusz Wosz beim DDR-Abschied dabei
Und es wird um weitere große Momente gehen. Wosz war dabei, als die DDR der Fußball-Welt Tschüss sagte. Damals am 12. September 1990 in Brüssel. Auswahl-Trainer Ede Geyer hatte 33 Spieler eingeladen, 14 Wackere stellten sich der finalen Aufgabe gegen die Belgier - darunter auch HFC-Torwart Jens Adler. Angeführt von Matthias Sammer und Wosz wurden die Belgier 2:0 besiegt. Adler bekam am Ende ein paar Einsatzminuten und wurde so der letzte DDR-Nationalspieler. Für den damals 21 Jahre alten Wosz war es der siebte Einsatz für das Land mit Hammer, Zirkel, Ährenkranz im Wappen.
Das Wappen seiner ersten Heimat war der Adler. 1980 war Familie Wosz aus Polen in die DDR, nach Halle, umgesiedelt. Dariusz, der ältere von zwei Brüdern (Zbigniew, heißt der jüngere), hatte so seine Probleme im neuen Umfeld. Vor allem in der Schule. Weil er die deutsche Sprache kaum beherrschte. Freunde fand er trotzdem schnell - auf der Straße, beim Bolzen. Da spielte die Sprache keine Rolle, nur Technik und Spielwitz.
Von beidem hatte Dariusz Wosz, „Derek“, wie er in Halle hieß, im Überfluss. Er meldete sich bei Motor an und kam über den VfL Halle 96 zum Halleschen FC. „Zu einigen von den Jungs von damals habe ich noch immer Kontakt“, sagt er. Steffen Grosche, Steffen Karl, René Tretschok oder auch Steffen Hammer zählt er auf. Karl und Tretschok (Meister und Champions-League-Sieger mit Dortmund) wurden ebenfalls Bundesliga-Stars.
Aber auch einen wie Keeper Hammer hat Wosz nicht vergessen. „Der hat sich als Torwart bei hohen Flanken den Ball auch mal selbst ins Tor geboxt. Darüber witzeln wir noch heute“, erzählt Wosz lachend.
Dariusz Wosz mit 17 in der Oberliga
Mit 17 feierte er sein Debüt in der DDR-Oberliga. Der Kleine - Wosz misst 1,69 Meter - wird ein Großer, da waren sich die Experten einig. „Gefördert hat mich da vor allem Trainer Karl Trautmann“, erinnert sich der spätere Star. Vor der Saison 1990/91, die letztlich im Zweitliga-Aufstieg mündete, revoltierten die Chefs unter den Spielern gegen den Coach. Trautmann wurde durch Bernd Donau ersetzt. „Ich fand es schade, dass Trautmann so mitgespielt wurde, aber ich als junger Spieler konnte dagegen wenig ausrichten“, erinnert sich Wosz.
Verkauf nach Bochum
Doch mit Donau ging es dann sogar in die zweite Bundesliga und den Uefa-Pokal. „Noch heute sehe ich Bernd Donau ab und an - etwa bei Hallenturnieren in der Erdgas Arena“, sagt Wosz. In Halle kickt er regelmäßig um den Jahreswechsel mit seinem „Allstar-Team“ - und wird von den rot-weißen Fans gefeiert. „Und dann sagt Bernd Donau immer wieder zu mir: ,Deinetwegen sind wir abgestiegen.’“ Damals 1992 aus Liga zwei.
„Ich war nicht schuld. Ich kann doch nichts dafür, dass ich in der Winterpause verkauft wurde.“ Bernd Bransch, damals Klubchef, konnte den energischen Avancen von Bochums umtriebigem Manager Klaus Hilpert nicht widerstehen. Weil sich auf dem Boden der Klubkasse schon Staub angesammelt hatte. Etwa eine Million D-Mark Ablöse, die der VfL Bochum überwies, rettete den klammen HFC. Dabei warben laut Wosz auch Schalke, der Hamburger SV und sogar der AS Monaco um seine Dienste. Aber Hilpert war eben ein Cleverle, tütete den Deal in Halles Interhotel fix ein.
Dariusz Wosz verzückte nicht nur die Bochumer Fans. Die „Zaubermaus“ wurde Nationalspieler im vereinten Deutschland. Er machte 17 Länderspiele und zählte zum EM-Kader im Jahr 2000. 1998 war er vom VfL Bochum zur Hertha nach Berlin gewechselt. Und im Rückblick
auf diesen Wechsel wird Dariusz Wosz wehmütig. „Es gibt eine Sache, die ich heute bereue: Und zwar, dass ich mir damals das Angebot von Paris St. Germain nicht angehört habe“, sagt er. Angeblich 10,5 Millionen D-Mark wollten die Franzosen, da allerdings noch längst nicht so eine Top-Adresse wie heutzutage, als Ablöse für Wosz zahlen. Doch der traute sich nicht so recht ins Ausland. Womöglich seinen Erlebnissen nach dem Umzug aus Polen gen Halle geschuldet. Die Chance ließ er verstreichen. „Ich habe gut verdient, aber unterm Strich auch viel Geld liegen gelassen“, sagt Wosz nun.
Daumendrücken für den HFC
Nicht zu ändern. Wosz, der sich zwischendurch nur mäßig erfolgreich als Trainer versuchte aber nie Chefcoach sein wollte, ist mit sich im Gleichgewicht. Und er schaut auch gern nach Halle, drückt seinem Sprungbrett-Verein nach wie vor die Daumen: „Trainer Ziegner passt zum HFC. Mit ihm kann der Klub die zweite Liga schaffen. Schade, dass die Mannschaft es diesmal noch durch die vier sieglosen Spiele im Februar verkackt hat“, sagt Wosz. Diesmal kann ihm keiner Schuld zuschieben. Nicht mal im Spaß.
(mz)