Nach massiver Kritik wegen Corona-Klage gegen Stadt Corona in Halle - Nach massiver Kritik wegen Klage gegen Stadt: Rechtsanwalt rechtfertigt seinen Schritt

Halle (Saale) - Der hallesche Rechtsanwalt Jens Stiehler steht nach seiner Klage gegen die Stadt massiv in der Kritik. Viele Bürger werfen ihm vor, den Ernst der Corona-Krise zu verkennen und sich lediglich profilieren zu wollen. Stiehler hat wegen des ausgerufenen Katastrophenfalls vor dem Verwaltungsgericht die Stadtverwaltung verklagt.
Er argumentiert, dass der Schritt des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand (parteilos), den Notstand auszurufen, auf keiner rechtlichen Grundlage fuße und die Rechte der Bürger massiv einschränke.
Bürger unterstützen OB
In sozialen Netzwerken bekommt Wiegand jedoch Zuspruch. „Die aktuellen Entscheidungen unseres Oberbürgermeisters sind juristisch vielleicht unklar. Aber sie sind menschlich und nachvollziehbar“, schreibt beispielsweise eine Nutzerin. Eine andere Person argumentiert, dass der Rechtsanwalt sein Fachwissen lieber den Bürgern zur Verfügung stellen sollte, anstatt seine Zeit damit zu verbringen, die Stadt zu verklagen.
Stiehler fühlt sich unterdessen missverstanden. „Ich habe keine Maßnahmen angeklagt, die das Land veranlasst hat“, betont der Anwalt. Seine Klage beziehe sich nur darauf, dass es sich rechtlich betrachtet derzeit nicht um einen Katastrophenfall handele. Laut Katastrophenschutzgesetz des Landes gilt ein Notstand, wenn „Leben, Gesundheit oder die lebenswichtige Versorgung einer Vielzahl von Personen gefährdet“ ist.
Um die Gefahr abzuwenden, kann im Katastrophenfall ein zentraler Krisenstab eingerichtet werden. „Wir haben zwar gestiegene Zahlen an Infizierten. Es ist jedoch falsch, dass das Leben einer Vielzahl von Hallensern bedroht ist“, argumentiert Stiehler. Derzeit sind 85 Bürger von dem Coronavirus betroffen. Bei rund 240.000 Einwohnern sei damit aktuell eine Minderheit infiziert. „Ich halte es für sehr gefährlich, wenn sich der Rechtsstaat nicht mehr an seine eigenen Regeln hält“, fügt der Anwalt hinzu.
Mehr Menschen testen
Seiner Meinung nach dürften nicht alle Bürger beschränkt werden. Die Stadt sollte mehr Menschen testen und diese dann gezielt abschirmen. Er schränke sich selbst seit mehreren Wochen freiwillig ein und besuche keine sozialen und kulturellen Veranstaltungen mehr. „Der Schutz der Bürger ist mir sehr wichtig. Die Grundrechte müssen aber auch in Krisenzeiten geachtet werden“, so der Anwalt. Aktuell stehe nun aber vielmehr die lokale Wirtschaft vor einem Bankrott.
Wiegand hatte in einer Pressekonferenz am Montag betont, dass er immer noch hinter seiner Entscheidung stehe. „Zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ist dringend der koordinierte Einsatz aller verfügbaren Kräfte und Mittel unter einer gemeinsamen Gesamtleitung erforderlich“, hatte er damals den Schritt begründet. Diese Entscheidung werde von ärztlichen Direktoren und Leitern der Krankenhäuser gestützt. (mz)