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Bürgerwall rettete das Paulusviertel

Von Heidi Pohle 25.01.2005, 17:25

Halle/MZ. - Die damalige Katechetin und heutige Gefängnisseelsorgerin hatte die Idee aus Erfurt mitgebracht. Dort war kurz zuvor eine Menschenkette um die Altstadt gebildet worden. Also wurde auch im Paulusviertel ein Aufruf formuliert, per Hand zig mal abgezogen, an Bäume gepinnt und in Briefkästen geworfen. "Uns kam gar nicht in den Sinn, dass die Aktion schief gehen könnte", erinnert sich Rita Junghahn, die damals Müller hieß und Gründungsmitglied der Bürgerinitiative war. Es habe eine tolle Aufbruchstimmung geherrscht: "Die Leute fühlten sich wie eine große Familie, wollten etwas für ihr Wohngebiet tun."

Und so kamen am Nachmittag des 28. Februar tausende Menschen zusammen, in der Ludwig-Wucherer-Straße zum Beispiel ebenso wie in der Paracelsus- und Herweghstraße, am Steintor, Reileck und am Dessauer Platz. Kinder waren darunter, auch betagte Bürger, und alle hielten sich an den Händen - ein sechs Kilometer langer Bürgerwall. "Die Organisation hat gut geklappt", sagt Pfarrer Detlef Haupt, "obwohl wir nur einen Trabbi hatten und kein einziges Handy." Und wer nicht in der Kette stand, brachte Kaffee und Plätzchen zur Stärkung auf die Straße.

Die Aktion sei wie ein Paukenschlag gewesen, so Hanna Haupt. "Dadurch sind wir bekannt geworden, haben vielen Leuten Mut gemacht." Der Slogan hieß damals "Wer, wenn nicht ich, wann, wenn nicht gleich." Von den Abrissplänen habe niemand mehr gesprochen; die Stadtverwaltung war sehr um die junge Demokratie bemüht.

Freilich sei man auch mit Naivität an die Aktion gegangen. "Damals hatten wir ja noch die Vorstellung, dass die schönen Gründerzeitbauten, von denen die meisten in beklagenswertem Zustand waren, innerhalb weniger Jahre saniert werden könnten", erzählt Frau Haupt.

Zu den "Idealisten" gehörte auch Dagmar Glanert, die damals in der Willy-Lohmann-Straße lebte: "Auch unser Haus war marode, Jahrzehnte lang lief Wasser durchs Dach." Obwohl Frau Glanert heute nicht mehr im Paulusviertel wohnt, gehört sie weiter der Bürgerinitiative an. Es sei in den 15 Jahren viel erreicht worden im Viertel sagt sie. Aber der Schwung, der Wille, etwas gemeinsam zu gestalten, der habe doch deutlich nachgelassen.