Bürgerpreis «Der Esel, der auf Rosen geht» Bürgerpreis «Der Esel, der auf Rosen geht»: Rowdy mitten in der Nacht verfolgt
Halle/MZ. - "Ich hörte es damals mehrfach knallen, so, als würde jemand große Steine in einen Container werfen", erzählt Thomas Rabisch. Doch das Geräusch, das der 36-Jährige vor fast genau einem Jahr, am 6. Februar 2003, mitten in der Nacht vor seinem Haus hörte, hatte eine ganz andere Ursache: Ein Mann ging die Brandenburger Straße im Paulusviertel entlang und riss im Sekundenabstand Scheibenwischer von geparkten Autos. Und jedesmal knallte es dabei fürchterlich. "Er hatte schon eine stattliche Anzahl davon im Arm, hielt sie fast wie einen Blumenstrauß", so Rabisch. Der Mann habe die Wischer geradezu von den Frontscheiben "gepflückt".
Als Thomas Rabisch ihn vom Fenster im zweiten Stock aus ansprach, machte sich der Rowdy aus dem Staub. Das war der Moment, als Rabisch sich gegen sein warmes Bett entschied, auf die Straße rannte und den Mann zu Fuß verfolgte. Ein Stück weiter, in der Adolf-von-Harnack-Straße, bekam er ihn schließlich zu fassen. Und stieß zu seiner Erleichterung auf keinerlei Gegenwehr: "Der war nicht nur betrunken, der hatte auch Liebeskummer, weil ihn seine Freundin verlassen hatte", erinnert sich Rabisch. Während er sich also die Geschichte anhörte, verständigte er die Polizei, die den Mann mitnahm.
Im Rückblick hat Rabisch fast Mitleid mit dem Täter: "Es soll ein Student Mitte 20 gewesen sein, der seinen Kummer und seine Wut auf diese Art und Weise abreagierte." Aber es sei ihm keine Sekunde der Gedanke gekommen, "das arme Würstchen" deshalb laufen zu lassen. "Der hat ja die Autos von Leuten beschädigt, die jeden Tag darauf angewiesen sind, zum Beispiel ihre Kinder zur Schule zu bringen. Einige sind Freunde und Bekannte von mir."
Und bei solch sinnloser Zerstörungswut höre der Spaß auf, dürfe Mitleid keine Rolle spielen. Zumal die Scheibenwischer nicht einfach nur abgezogen, sondern herausgerissen wurden. Sein eigenes Auto stand zum Glück in einer anderen Straße, blieb verschont. Sachverständige ermittelten später einen Schaden von rund 15 000 Euro für insgesamt 29 abgebrochene Scheibenwischer.
Nennt man Rabischs spontane Reaktion mutig, winkt er ab. Mutig sei nicht das richtige Wort für seinen Einsatz. Er würde es eher ein kalkuliertes Risiko nennen, das er eingegangen ist, zumal der Rowdy einen Kopf kleiner war als er, also rund 1.70 Meter groß, und betrunken.
"Und wenn ich an der nächsten Straßenecke gesehen hätte, dass da noch Kumpel auf den Mann warten, hätte ich sicherlich nur die Polizei gerufen, wäre nicht hingegangen, sagt Rabisch, der an der Burg Giebichenstein Malerei studiert hat und dort halbtags als künstlerischer Mitarbeiter tätig ist. Außerdem arbeitet er als freischaffender Bildhauer. Und er weiß als aktiver Basketballer beim USV Halle, dass er recht schnelle Beine hat...
Würde er in ähnlichen Situationen wieder eingreifen? Der gebürtige Erfurter, der einen Sohn hat, muss nicht lange überlegen, um ja zu sagen. Allerdings, so schränkt er ein, würde er Leben und Gesundheit nie aufs Spiel setzen.
Die Polizeibeamten vom Revier Nord haben sich damals umgehend bei Rabisch bedankt. Und auch der Polizeipräsident hat ihm geschrieben und seine Zivilcourage gelobt. Seinen Brief hat Rabisch eingerahmt und an die Wand gehängt.