Bühnenstar Marie Anne Fliegel: Bühnenstar Marie Anne Fliegel: Hallesche Schauspielerin möbelt Werbung auf

Halle (Saale) - Bettszenen gelten als heikel. Zumindest als schwierig, ganz egal ob sie für Fernsehen, Kino oder Video gedreht oder gar für eine Bühne inszeniert werden. Und ein Privileg für die Jugend im weitesten Sinne sind sie ohnehin - die Bettszenen.

Oder sollte man sagen, waren sie bislang? Ein witziges und mit hoher Reichweite und Quote verbreitetes Beispiel dafür, dass eine Bettszene ganz anders laufen und über die Bildschirme flimmern kann - ohne Jugend und ohne heikel - gibt es neuerdings: In Gestalt eines 30 Sekunden langen Werbespots für eine weltweit agierende Einrichtungshäuser-Kette schwedischen Ursprungs. Und in diesem Spot gibt’s ein Wiedersehen mit einer guten Bekannten für die halleschen Theaterfreunde: mit Marie Anne Fliegel, die einst ein Star am Neuen Theater war.

Die Story des Spots ist schnell erzählt. Obwohl es erstaunlich ist, wie viel an Gefühl, an Infos, Hintergrund, Hintersinn und Image-Botschaft in dieser halben Minute Film untergebracht sind.

Es beginnt mit einem Blick in eine Wohnung: Schlafzimmer, offene Tür zum Bad, Bildschwenk vor den Badspiegel - und dort steht sie: Marie Anne Fliegel, inzwischen 76, in der Rolle der alten Mutter einer jungen Frau, die man im Doppelbett nebenan liegen sieht.

Die „Oma“ föhnt sich vor dem Spiegel das Haar, um sich hinterher im Morgenmantel wieder zu ihrer Tochter ins Bett zu legen. Dann der Text: „Weißt du, ich könnte ewig hier bleiben“, sagt die Mutter möglichst beiläufig.

Doch es hilft nichts. Ihre beängstigende „Gekommen um zu bleiben“-Botschaft kapiert die Tochter sofort und fragt prompt nach: „Vermisst dich denn Opa nicht?“

Doch die Mutter lässt nur kurz durchblicken, was „Opa“ ihrer Meinung nach allenfalls vermissen könnte - und nuschelt es ihrer Tochter ins Ohr: „Seine Zähne, seine Brille, seine Potenz ...“. Kein Grund also offenbar, schon in den nächsten Tagen wieder heim ins Nest zu Opa zu schlüpfen!

Doch was ist hier die Werbebotschaft? „Komfortzone“ offenbar. So soll wohl suggeriert werden, dass derlei „Fühl dich wohl“-Gefühle ausschließlich zu erzielen sind in Doppelbetten von genau dieser einen Großtischlerei aus dem viel besungenen Möbelland Ikeanien.

Doch der Film würde nicht halb so gut funktionieren ohne die wunderbare hallesche Schauspielerin, der es gelingt, den Spot für Betten aus hellem Holz mit ihrem Witz und ihrer Persönlichkeit buchstäblich aufzumöbeln.

Dass sie dazu Gelegenheit bekam, sei freilich auch Zufall gewesen, sagt sie. Die Anfrage nach einer „älteren Schauspielerin“ kam durch ihre Agentur, die diese weiterhin in Film und Fernsehen erfolgreiche Künstlerin („Tatort“ und „Polizeiruf 110“ vor allem) betreut.

„Aber ich wäre nicht irgendwohin zum Casting gefahren“, sagt Marie Anne Fliegel. Doch in diesem Fall fand das Casting in Hamburg statt, wo sie gerade ihre Enkel besuchte. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass die mich nehmen“, sagt die Hallenserin mit Blick auf das Casting und die dann sehr langwierige Produktion.

Doch so was ist für sie mit über 50 Jahren Schauspielerfahrung keine Hürde. Im Neuen Theater war sie bis zum Ende der Intendanz von Peter Sodann engagiert und hat dabei so große und großartige Rollen gespielt wie die in dem berühmten Peter-Hacks-Solostück „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“.

Und gedreht hat sie zuletzt den ZDF-Zweiteiler „Familie“, spielte darin die Prinzipalin mit Iris Berben und Jürgen Vogel. Im Werbespot kneift Marie Anne Fliegel am Ende ins Rückenpolster des Betts und sagt schelmisch: „So straff war ich auch mal.“ Und man darf ergänzen: So witzig und großartig ist sie weiterhin. (mz)