Bob Bob: Nach Verletzung - SV-Leichtathlet Philipp Schneider wechselt vom Weitsprung in den Eiskanal

Halle (Saale) - Anerkennung schwang in seiner Stimme mit, ja, geradezu unverhohlene Begeisterung. „Irgendwie“, sagte Philipp Schneider über die verwegenen Burschen im Eiskanal, „sind die doch alle verrückt“. Und obwohl der 23-Jährige über seine eigenen Worte lachen musste, war ihm doch anzumerken, dass er nur allzu gern auch so verrückt wäre.
Tatsächlich: Philipp Schneider und Bobsport - das könnte passen. Sein Traum vom Höhenflug in der Weitsprunggrube ist nach einer Fußverletzung geplatzt. Zwar war eine OP erfolgreich und er kann sich wieder schmerzfrei bewegen. „Eine Videoanalyse hat jedoch ergeben, dass ich bei den letzten Schritten vor dem Balken nun den Druck rausnehme“, erklärte der SV-Athlet sein Dilemma. Damit war klar, dass die 7,73 Meter aus dem Jahr 2014 wohl für immer sein Bestwert bleiben werden. Bitter für jemanden, der mit Leib und Seele Leistungssportler ist.
Dass sich nun eine zweite Chance ergibt, hat viel mit seinem Verein SV Halle zu tun. Und einigen ehemaligen Leichtathleten, die vor ihm den Wechsel schon erfolgreich praktiziert hatten. Allen voran Schneiders Freund Thorsten Margis. Der einstige Zehnkämpfer ist als Anschieber hinter Erfolgspilot Francesco Friedrich mittlerweile zu einem der Besten im Wintersport aufgestiegen. Im Sommer hatte der mehrfache Weltmeister im Verband seine Fühler für Schneider ausgestreckt.
Dessen erste Tests waren vielversprechend. Bei den deutschen Anschub-Meisterschaften Anfang Oktober kam der von der Bundespolizei geförderte Kommissar auf Anhieb auf Platz elf.
Trainingspläne von Marc Kühne
Ist Schneider nun ein Naturtalent? Oder heißt guter Leichtathlet automatisch auch Top-Anschieber? „Schnelligkeit, Kraft, allgemeine Athletik - natürlich bringt Philipp viel mit aus der Leichtathletik, was ihm nun zugute kommt“, bestätigte Hardy Gnewuch, der die SV-Leichtathleten seit Jahren führt und zudem Halles Olympiastützpunkt leitet. Diese Top-Voraussetzungen müssen aber erst einmal genutzt und auf der Bahn in Geschwindigkeit umgesetzt werden. Das ist kein Selbstläufer. Bei Schneider hat Gnewuch ein gutes Gefühl. Weil er die körperlichen Voraussetzungen erfüllt und gute Hebelverhältnisse hat, vor allem aber auch, weil Schneider für seinen Sport brennt.
Deshalb hilft Gnewuch, dessen Abteilung beim SV sich sogar schon in Leichtathletik/Bob umbenannt hat, dem „Umsteiger“. Ebenso übrigens wie der Laufbahnberater der halleschen Leistungssportler, Marc Kühne. Auch er hatte einst als Zehnkämpfer begonnen und war 1998 in den Bob gewechselt. Zehn Jahre lang hat er da praktisch Pionierdienste geleistet.
Der Teamweltmeister und Olympia-Fünfte gab Schneider sogar seine alten Trainingspläne. Nach denen versucht sich der Newcomer nun in Form zu bringen. Die Grundschnelligkeit für den neuen Sport hat er, an Muskeln fehlt ihm noch so einiges. „Die Kunst wird sein, das eine nicht zu verlieren, während ich bei dem anderen etwas draufpacke“, erklärte Schneider den Spagat. Dreimal die Woche stemmt er im Kraftraum die Eisen, hat in den knapp vier Monaten schon sechs Kilo zugelegt. Von den Bestwerten seiner neuen Kollegen ist der 1,92 Meter große 94-Kilo-Mann dennoch ein Stück entfernt.
Premiere-Fahrt in Winterberg
Das hält ihm aber nicht von seiner Jungfernfahrt ab. Am Donnerstag wird er zum ersten Mal selbst mit einem erfahrenen Piloten in Winterberg die Bobbahn hinunterjagen. „Wenn ich gebraucht werde, dann will ich da sein“, bekennt er sich zu seinen Hintergedanken.
Spätestens 2018 nach Olympia werden einige Anschieber aufhören. Dann will der Ex-Weitspringer Philipp Schneider im Eiskanal auf dem Sprung sein.
(mz)