Biografie Biografie: Umstrittener Wissenschaftler war Leopoldina-Präsident
Der gebürtige Schweizer Emil Abderhalden (1877-1950) war Physiologe, Mediziner und Biochemiker. Er lehrte ab 1911 an der Universität Halle und trat 1919 der liberalen DDP bei. Mitglied der NSDAP war er nicht, gehörte aber dem NS-Lehrerbund an.
Von 1932 bis 1950 war Abderhalden Präsident der Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der heutigen Nationalen Akademie der Wissenschaften, die letzten fünf Jahre allerdings nur noch formal an der Spitze. Abderhaldens Rolle im Nationalsozialismus ist ambivalent. Auf der einen Seite wird ihm vorgeworfen, dass er die nationalsozialistische Rassengesetze, Zwangssterilisation und die Euthanasie befürwortete. Auf der anderen Seite schlug er während seiner Amtszeit auch jüdische Forscher als Neumitglieder vor, darunter auch Albert Einstein.
Allerdings soll er sich 1938 widerstandlos dem Beschluss gefügt haben, jüdische Mitglieder aus der Akademie zu entfernen. Abderhalden ließ die Streichungen auf den Personalblättern aber mit Bleistift durchführen und nicht mit der für Urkunden üblichen Tinte. 1945 setzte Abderhalden sich in die Schweiz ab, wo er 1950 starb. Trotz seiner schon damals bekannten Rolle im Nationalsozialismus wurde 1946 eine Straße in Halle nach ihm benannt.
Auch sein Ruf als Forscher ist umstritten. Die von ihm angeblich entdeckten „Abwehrfermente“ (eine Art Antikörper bei Reaktionen mit Eiweißen) konnten nicht nachgewiesen werden - was mit Rücksicht auf seinen Ruf unter den Tisch gekehrt wurde. (SZÖ)