Kreative Verkehrsschilder Beklebte Verkehrsschilder in Halle (Saale): Guerilla-Künstler klebt noch immer unerkannt

Halle (Saale) - Montagnachmittag. Mal wieder staut es sich auf der Grenzstraße zwischen Delitzscher und Osttangente. Doch wer im zähen Verkehr ein waches Auge hat, dem kann sogar das Warten Spaß machen. Denn auf insgesamt fünf Verkehrszeichen in dieser Straße hat Halles „Schilderguerilla“ zugeschlagen.
Die Blechschilder sind mit zugeschnittenen Klebefolien verziert und zeigen lustige Szenen: Ein Storch fliegt durch ein Vorfahrts-Straßen-Schild, der Balken eines Einbahnstraßen-Schildes wurde zur Farbrolle stilisiert und das Kind, das zusammen mit seiner Mutter auf blauem Grund auf einen Fußweg hinweist, sagt in einer Sprechblase: „I love Mutti“.
Schilderguerilla in Halle (Saale) feiert ihren ersten Geburtstag
Die Schilderguerilla feiert dieser Tage schon ihren ersten Geburtstag. Die ersten Sticker tauchten auf Baustellenschildern auf. Seitdem sind Hunderte anderer dazugekommen. Bis jetzt ist der Künstler hinter den kreativen Folien noch nicht aufgeflogen, obwohl die Stadt ihn liebend gern in die Finger bekommen würde.
Während die Stadt die „Kunst am Pfahl“ in der Anfangsphase erst duldete, verging ihr schon nach kurzer Zeit die Lust. Sie warnte: Das seien keine Kavaliersdelikte, sondern Sachbeschädigung. Man behalte sich sogar vor, Strafanzeige zu stellen. Und auch noch heute kann man im Rathaus über die Aktion nicht lachen.
Auf konkrete Fragen der MZ, ob sich die Stadt mittlerweile mit den beklebten Schildern abgefunden habe, heißt es nur: „Zu Spekulationen um eine Klebe-Aktion kann die Stadt keine Auskunft geben.“
Schilderguerilla in Halle (Saale): Bekleber will weiter anonym bleiben
Die Warnung der Stadt, ihn anzuzeigen, hat beim Künstler aber nicht dazu geführt, dass er seine Aktionen beendet. Dafür achtet er jetzt um so mehr darauf, nicht geschnappt zu werden. Deshalb will er auch anonym bleiben. Inzwischen zieht er nur noch nachts los, um zu kleben. Das geschehe, sagt er im Gespräch mit der MZ, aber nicht ohne nachzudenken.
Wie Verkehrsschilder aussehen dürfen, ist in der Straßenverkehrsordnung festgelegt. Deshalb können hohe Bußgelder drohen, wenn jemand die Zeichen auf eigene Faust verändert. Rechtlich handelt es sich beim Verzieren um Sachbeschädigung, auch wenn die Aufkleber mit einfachen Mitteln rückstandslos entfernt werden können. Denn trotzdem entstehen dadurch Kosten. So schätzt beispielsweise die Stadt Dresden den jährlichen Schaden auf etwa 50.000 Euro pro Jahr, wobei dort auch Schilderschmierereien mit Graffiti und andere Beschädigungen berechnet werden. Das bezahlt am Ende der Steuerzahler, denn nur im Einzelfall werden die Täter gestellt.
Gefährlich wird die nett gemeinte Kunst, wenn Verkehrsschilder derart verunstaltet werden, dass man ihre Aussage gar nicht mehr erkennen kann: Dann müssen die Verursacher sogar mit einer polizeilichen Ermittlung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr rechnen.
„Das Grundschild und seine Bedeutung müssen erkennbar bleiben. Und Schilder wie ,Vorfahrt beachten’, Andreaskreuze an Bahnübergängen und Stopp-Schilder sind ein No-Go“, sagt er. Er wolle niemanden gefährden. Selbst um die Unversehrtheit der Schilder sorgt er sich und nutzt nur Folie, die auch für das Bekleben von Möbeln verwendet wird.
Man könne sie ganz leicht abknibbeln - ohne Rückstände. „Die Aufkleber sind sicher schneller ab als ich sie draufgeklebt habe“, sagt der Künstler.
Schilderguerilla in Halle (Saale) hat Nachahmer gefunden
Das gilt freilich für die Zeichen, die er selbst beklebt. Inzwischen gibt es in Halle auch andere, die ihm nacheifern und Schilder „verschönern“. Am Robert-Franz-Ring etwa finden sich Kleber, die nicht von der „originalen“ Schilderguerilla stammen.
„Einerseits finde ich die witzig. Aber es muss auch immer passen. Neulich habe ich einen Hubschrauber mit einem Hund auf einem Schild gesehen, das hat nicht so viel Sinn gemacht“, sagt der Künstler. Für die kommenden Wochen hat er die nächsten Aufkleber schon vorbereitet. Schließlich ist in Halle wieder Baustellen-Zeit, so wie vor einem Jahr als alles begann. (mz)