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Bäume im zweiten Frühling Bäume im zweiten Frühling: Blühende Natur gibt Experten Rätsel auf

Von Martina Springer und Katja Pausch 24.09.2002, 18:28

Halle/Saalkreis/MZ. - "Abnormitäten muss man eben in Kauf nehmen", sagt der eine. "Die Natur ist manchmal überschwänglich", sagt ein anderer. "Einige Bäume feiern einfach ihren zweiten Frühling", lautet eine dritte Meinung. Irgendwie haben ja alle recht: Etliche Bäume - Kastanien, doch auch Apfelbäume - tragen in diesen Herbsttagen erneut Blüten. Über die Gründe gibt es unterschiedliche Auffassungen. Sie reichen von Schädlingsbefall bis zum Hinweis auf den warmen und feuchten Sommer.

Die zweite Baumblüte sei das Resultat "aus dem Zusammenspiel von Sonnenschein, Temperaturen und Niederschlägen", ist sich Jurik Müller vom Meteorologischen Dienst in Halle sicher. Die Wetterlage der zurückliegenden Wochen habe der im Frühjahr geglichen - kürzere Tage, viel Feuchtigkeit im Boden, frühlingshafte Temperaturen. Da "glaubten" die Bäume eben, wieder ausschlagen zu müssen. So etwas sei zwar nicht alltäglich, sagt Müller, aber auch nicht extrem selten. Vor zwei Jahren hätten im Oktober Forsythien und Löwenzahn geblüht, gar im November Heckenrosen und Brombeersträucher.

Allzu viel Euphorie angesichts der Blütenpracht sei aber fehl am Platze. "Baumblüte zum zweiten Mal im Jahr noch nie ein gutes Zeichen war" laute eine Bauernregel, die der Meteorologe so interpretiert: "Bei einer zweiten Blüte im Herbst könnte der Baum unter Umständen schon sein Pulver für das nächste Frühjahr verschießen."

Diese Erfahrung hat auch Rainer Picl vom Stadtverband der Gartenfreunde gemacht. Er weist aber auch einem schädlichen Pilz - dem Apfelschorf - einen Teil Schuld zu. Befallene Blätter führten zu einer schlechten Ernährung der Äpfel. Blätter und Früchte fielen ab. Wenn es dann - wie dieses Jahr - im Herbst lange warm bleibe, "nehmen die Bäume an, es wird Frühling, und lassen wieder Knospen schwellen." Das aber könne dazu führen, dass die Bäume im nächsten Frühjahr nicht so stark blühen. Ihn persönlich störe das wenig. "Ich habe in meinem Garten zehn Apfelbäume, da gibt es in jedem Jahr genügend Früchte." Ohnehin gebe es Bäume, die alternierend blühen - also nicht in jedem Jahr.

Matthias Hinz, Experte für Obst und Gemüsebau am Institut für Acker- und Pflanzenbau der Universität, kann das bestätigen: "Alte Apfelsorten wie Boskop, Cox und Elstar tragen nur alle zwei Jahre Früchte." Und demzufolge in den Jahren dazwischen mehr Blätter. "Im Juni eines Jahres entscheiden die Phytohormone einer Pflanze, ob mehr Blüten- oder mehr Blattknospen gebildet werden. Wenn es das Wetter zulässt, können im Frühherbst entweder schon angelegte Knospen der neuen Saison oder aber die ''vergessenen'' vom gleichen Jahr blühen", erklärt der Experte, der auch die Folgen kennt: Das junge Holz sei nicht ausgereift und könne beim ersten Frost erfrieren. Doch tun könne man eigentlich nichts dagegen.

Genauso wenig wie gegen die Miniermotte, die meist Rosskastanien befällt. "Von 25 200 Straßenbäumen in Halle sind 880 Rosskastanien", nennt Karin Friedrich vom städtischen Grünflächenamt Zahlen. Diese "denken nach dem durch die Motte versachten Laubfall, es sei Herbst. Bei schönem Wetter treiben sie manchmal wieder aus."