Basketball Basketball: Wissenschaft funktioniert
Halle (Saale)/MZ. - Die "Treppe" ist gefürchtet. Dabei ist es gar keine Treppe. Auf dem Parkett in der Burghalle werden von Martin Dornhoff ein paar Vierecke aufgestellt und dann heißt es: Springen - vor, zurück, zur Seite, ran - und umgekehrt. Diese Trainings-Form schmeckt den meisten seiner Basketballerinnen nicht, doch sie ziehen mit, murren nicht. Nicht mehr. Denn inzwischen ist auch bei ihnen die Einsicht gereift: Was der Coach macht, hat Sinn, es funktioniert.
Den Beweis liefert das Resultat. Die SV Halle Lions stehen unmittelbar vor dem großen Coup, der deutschen Meisterschaft. Ein Sieg am Freitag, 19 Uhr, in der randvollen Burghalle gegen Wolfenbüttel - und Gold geht an die Saale. Falls es eine Niederlage setzt, besteht am Sonntag auswärts die nächste Chance.
"Inzwischen", sagt Lions-Geschäftsführer Ralf Gonschorek, angesprochen auf den Trainer und seine Übungseinheiten, "zweifelt niemand mehr im Team an der Kompetenz und den Methoden von Martin Dornhoff." Denn schließlich merkten auch die manchmal nicht einfach zu führenden Damen: "Wir sind irgendwie frischer als Wolfenbüttel. Auch wenn die Saison lang und hart war und es langsam an die letzten Reserven geht, können wir noch etwas abrufen", sagt Michaela Abelova, der Kapitän.
Sie sieht noch einen zweiten Vorteil gegenüber den Konkurrentinnen aus Niedersachsen: "Wir wollen diesen Titel einfach mehr, sind irgendwie motivierter einfach hungriger." Was - zumindest teilweise - auch ein Verdienst des Trainers ist, weil er den jungen Damen ihr Potenzial gezeigt hat.
Martin Dornhoff hat in dieser so entscheidenden Woche auf die Übungen mit der "Treppe" im übrigen verzichtet. "Jetzt galt es, genau zu dosieren. Ich habe schon mehrmals Mannschaften, allerdings zuletzt nur aus dem Nachwuchs, auf so ein Finale vorbereitet. Wie man Erfolg hat, steht da drin", sagt er und hält die Hand auf einen etwa 20 Seiten starken Stapel mit in durchsichtigen Schutzhüllen verpackten Blättern. Es sieht aus wie eine geheime Bedienungs-Anleitung für Basketball-Champions.
Dozent an der Uni Leipzig
Nur: Geheim ist daran eigentlich gar nichts. Genau dieses Trainings-Programm doziert Martin Dornhoff seit Jahren an der Uni in Leipzig. Dort gibt er, obwohl mit 67 Jahren eigentlich Rentner, von September bis Januar Vorlesungen vor Trainern aus aller Herren Länder. Hunderte haben sich von ihm in der Theorie des Basketballs unterrichten lassen.
"Was da drin steht", sagt er und zeigt auf seine Papiere, "ist alles eine Mischung aus Wissenschaft und Erfahrung." So bekommt jede seiner Spielerinnen ein individuell zurechtgelegtes und ausgetüfteltes Trainingsprogramm. Eine hat im Fitnessstudio mehr Bauchmuskeln zu belasten, eine andere arbeitet derweil an ihren Reflexen, die nächste an der Motorik, die übernächste eben an der Kondition.
Und dann gibt es noch spezielle Methoden des Wurftrainings. Selbst Superstar Tamara Tatham hat davon profitiert. Zunächst wollte die Kanadierin partout nicht einsehen, dass sie beim Anlauf von links zum Korb keineswegs überragend ist und viel schwächer trifft. Jetzt übt sie genau das.
Im Ausland wird übrigens der Weg der Lions genau verfolgt - durch Dornhoffs Schützlinge. Und die sind begeistert, weil sie aktuell demonstriert bekommen: Das, was Dornhoff in der Uni erzählt, funktioniert tatsächlich in der Praxis. Und da ist es schon unerheblich, ob Halle nun Meister wird oder nicht. "Ich bekomme derzeit von vielen meiner Schützlinge der Uni Glückwunsch-Mails und SMS", verrät Dornhoff nicht ohne Stolz.
In Halle wollen sie ihrem Trainer "sowieso ein Denkmal bauen, es entscheidet sich nur noch, wie groß es wird", sagt Gonschorek. Denn noch fehlt der goldene Anstrich des meisterlichen Konstrukts. Aber die Fertigstellung wollen die Wolfenbütteler verhindern. "Wir kommen nicht einfach nur zur Meisterfeier nach Halle", gibt sich BV-Vize Jan Mielbrecht kämpferisch. Wolfenbüttels Trainer hat eine einfache Formel, um den 2:2-Ausgleich in der Serie zu schaffen. "Wenn man trifft, läuft man schneller", sagt Vlastibor Klimes. Dass seine Damen zuletzt auf dem Zahnfleisch krochen, sieht er nicht als Problem. "Es kann sein, dass Halle etwas spritziger ist, aber das wirkte nur so, weil sie getroffen haben. Wer nichts versenkt, sieht eben alt aus", sagt Klimes. Er hofft, dass seine Mannschaft einfach nur mehr Punkte macht.
Noch keine Meisterfeier geplant
Die Formel ist recht minimalistisch. Wenn es denn so einfach wäre. "Um Würfe zu haben, muss man erst einmal in Position kommen. Schon das werden wir verhindern und Druck aufbauen, die Wolfenbütteler nicht in Ruhe lassen", sagt Michaela Abelova, die ihre Anspannung nicht verhehlt: "Ich bin aufgeregt."
Mit einer möglichen Meister-Party hat sie sich noch nicht beschäftigt. "Wir hatten Spaß im Training, waren locker, haben Witze gemacht. Aber letztlich sind wir alle total fokussiert - auf dieses Spiel und diesen Sieg." Und genau diese Einstellung hat Martin Dornhoff in den letzten Tagen immer wieder gefordert. Dafür brauchte er keinen Blick in seine geheimen Zettel.