1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Autorin Margarete Wein: Autorin Margarete Wein: Zu Besuch im Wörterzoo

Autorin Margarete Wein Autorin Margarete Wein: Zu Besuch im Wörterzoo

Von Detlef Färber 20.06.2016, 15:30
Margarete Wein feiert mit ihrem fünften Buch Premiere.
Margarete Wein feiert mit ihrem fünften Buch Premiere. Jens Schlüter

Halle (Saale) - Selten sind sie anschaulicher und schlüssiger beschrieben worden - die Lust wie die Pein von Leuten, denen dieses merkwürdige und scheinbar vorgestrige Hobby namens Lesen eigen ist. Die hallesche Autorin Margarete Wein steigt in die Titelgeschichte ihres mittlerweile fünften Buchs mit dem höchst neugierig machenden Titel „Ob ein Federboa beißt!“ mit eben dieser Schilderung ein: Ein Schulkind, das in arge Verlegenheit gerät durch die Aufforderung, in einem Aufsatz von der Ausübung ihres Hobbys zu erzählen.

Was tun? Dieses arme Kind liest ja „nur“! Und empfindet das - bei allem Spaß, den ihr das Schmökern macht - im Vergleich mit anderen Hobbys „vielseitig interessierter“ Kinder oder Leute in der Spaßgesellschaft irgendwie doch als Mangel. Doch diesem Mangel rückt das Mädchen erfolgreich zu Leibe - dank seiner Übung im Umgang mit Fantasie-Materien.

Leseratte

Und es tritt mit einer sehr kreativen Idee in den Wettstreit mit all den fleißigen Philatelisten und sonstigen Sammlern gleichen Alters: Das Mädchen legt sich - Frucht seiner Belesenheit und Assoziationskraft - einen „Wörterzoo“ zu. Eine Sammlung von unechten Tieren, nämlich Wort-Tieren, wie die Federboa (ein aus der Mode gekommener Schal) eins ist. Oder das Sparschwein oder der Galgenvogel. Oder das Kind selbst - als Leseratte.

Diese Kurzgeschichte ist typisch für die fast hundert Einzeltexte des fast hundertseitigen Bändchens, das wieder im halleschen Mitteldeutschen Verlag (mdv) erschienen ist (9,95 Euro). Es sind Storys voller Hintersinn, meditativer Tiefe, aber auch gedanklicher Durchdringung: Und es sind Gedankenspiele, an die dann 40 sogenannte Miniromane von nur rund einem Dutzend Zeilen Umfang geknüpft sind. Beispiel: Der Miniroman „Eigentum“ und sein erster Satz: „Als junges Mädchen nahm sich Nora vor, später so zu leben, dass es ihr nicht leidtäte, wenn das Haus abbrennt.“ Ihres wohl gemerkt - was für ein Auftakt!

Quasi der Auftakt einer neuen Reihe im Stadtmuseum wird übrigens Margarete Weins Buchpremiere für die „Federboa“ am Dienstagabend sein. „Gedankenspiel“ heißt diese Reihe mit Lesungen im einstigen Vorlesungssaal des Philosophen Christian Wolff.

Buchpremiere

Dorthin passt das Buch - und passt die Autorin. Aus Rügen stammend, hat sie seit ihrer Schulzeit in Halle gelebt, hier Germanistik mit Schwerpunkt „Deutsch für Ausländer“ studiert und später gelehrt. Und anschließend hat sie die Zeitschrift der halleschen Uni als Redakteurin betreut: Auch dies eine Art Sprachvermittlung, wie sie die 68-Jährige seit ihrem Ruhestand nun - man könnte sagen - als Übersetzung des Alltäglichen ins Reflektierte, ins Literarische weiter treibt: Oft auch einfach nur zum Spaß für sich und Freunde, die sie in Briefen - jeweils als PS-Nachsatz - mit einem Haiku beschenkt. In Kalenderform bilden 48 davon nun den Abschluss ihres Buchs.

Doch wie lautet die Antwort bei dessen titelgebender Frage „Ob eine Federboa beißt?“ Man ahnt schon: Der Leser darf sie sich selber beantworten. Aber im Sinne der Autorin kann die Antwort wohl nur lauten: „Na und ob!“

Die Buchpremiere findet Dienstag, 19 Uhr, im Hörsaal des Stadtmuseums (Große Märkerstraße 10) statt. Gerlinde Poldrack spielt Saxofon. (mz)