Außergewöhnliches Kulturdenkmal Außergewöhnliches Kulturdenkmal : Was machen mit Halles ältesten stillen Örtchen?
Halle (Saale) - „Männer“ steht über einer der beiden Türen eines seltsamen, winzigen Gebäudes in der Merseburger Straße, an der Kreuzung Huttenstraße. Plakate kleistern die Tür daneben zu. Dort wäre dann wohl zu lesen: „Frauen“. Und so erschließt sich auch dem Laien der Zweck dieses Bauwerks, das wie ein Wetterhäuschen in Lebensgröße daherkommt: Es ist Halles älteste öffentliche Toilette, gebaut 1902. Damals hießen solche Einrichtungen noch „Bedürfnisanstalt“. Und gleichzeitig ist das WC auch Halles neuestes Baudenkmal: Seit wenigen Tagen steht das vergessene, heruntergekommene einstige städtische Urinal unter Denkmalschutz.
Denn die behördlichen Bewahrer des baukulturellen Erbes unterscheiden nicht zwischen Palästen und Hütten. Auch nicht Peter Breitkopf vom Denkmal-Verein Arbeitskreis Innenstadt. „Seit vielen Jahren fahre ich an dem Haus vorbei. Vor zwei Jahren habe ich die Stadt darauf aufmerksam gemacht, dass das Oberlicht bereits eingefallen ist. Doch bisher fehlte offenbar das Geld für Reparaturen“, so Breitkopf. Ende vergangenen Jahres habe er dann bei der Oberen Denkmalschutzbehörde im Land angefragt, ob denn die Bedürfnisanstalt nicht denkmalwürdig wäre.
Einzigartige Architektur
Im Landesamt hatte man das Toiletten-Haus bis dahin nicht auf dem Schirm. Doch der Denkmalstatus ließ nicht lange auf sich warten. „Der 1902 nach einem Entwurf des Stadtbauinspektors Carl Rehorst gebaute, anspruchsvolle, teils zweifarbige Klinkerbau mit fünf Fensteröffnungen auf der Schauseite zur Merseburger Straße ist die älteste erhaltene Einrichtung dieser Art in Halle“, sagt Sabine Meinel von Landesamt für Denkmalpflege. Städtebaulich bedeutsam sei es auch als Äquivalent zum gegenüber befindlichen eingeschossigen Anbau am ehemaligen Huttencafé.
Die Toilette in der vielbefahrenen Merseburger Straße ist das letzte Beispiel einer Latrinenarchitektur, die Anfang des 20. Jahrhunderts im wachsenden Halle entstand. Wie die Kunstgeschichtlerin Kerstin Küpperbusch in einer Publikation über den Stadtbaurat Carl Rehorst schrieb, seien nach dessen Entwürfen viele dieser Klein-Zweckbauten entstanden. „Ziel war es, die ,Häuschen’ ästhetisch zu kaschieren, so dass sie sich harmonisch in das Landschafts- und Stadtbild einpassten.“ Am Botanischen Garten, am Steintor, in Kröllwitz oder am Reileck und auf dem Sandanger in der Merseburger Straße entstanden repräsentative Toilettenhäuser. Nur die Anstalt in der Merseburger Straße 136 ist übrig. An der Ecke neben der Hafenbahn-Trasse stand sie niemandem im Weg.
In Halle gibt es mehrere Bedürfnisanstalten, die unter Denkmalschutz stehen. Eine ist sogar noch in Benutzung: die öffentliche Toilette am Waisenhausring. Oftmals waren die Bedürfnisanstalten dieser Zeit mit anderen Nutzungen verbunden. So an den als Baudenkmalen ausgewiesenen Transformatorenstationen in der Rudolf-Breitscheid-Straße/Ecke Willy-Brandt-Straße, das mit einer Tankstelle kombiniert war. Bekannt ist auch das Baudenkmal am Universitätsring - kombiniert mit einem Kiosk.
Die Kommune betreibt heute sechs öffentliche WC-Anlagen, deren Benutzung kostenlos ist. Weitere fünf kostenpflichtige öffentliche WC betreibt die Ströer Media GmbH. (mifa)
Ob es am Denkmal-Status liegt? In dieser Woche jedenfalls hat der Fachbereich Immobilien der Kommune das schadhafte Dach abdichten und eine Regenrinne anbringen lassen. Laut Peter Breitkopf hat sich sein Verein zudem bereiterklärt, den Dachaufbau mit dem Oberlicht zu sichern.
Stadt prüft mögliche Nutzung
Nun hat die Stadt ein außergewöhnliches Kulturdenkmal mehr - und mindestens ein Problem. Was soll man bloß mit einem denkmalgeschützten WC-Häuschen anfangen? Auch wenn die Bedürfnisanstalt aufgrund jahrzehntelanger Nichtbenutzung - und des kaputten Oberlichtes - längst keine anrüchige Angelegenheit mehr darstellt. „Die Stadt prüft gegenwärtig mögliche Nutzungen“, gibt Martin Heinz, Fachbereichsleiter Immobilien, die Standard-Auskunft aller ratlosen Gebäudeverwalter. Immerhin: Der Arbeitskreis Innenstadt habe sich angeboten, ein Nutzungskonzept zu erarbeiten.
Die Nutzung ist aber bei einer weiteren denkmalgeschützten Toilette ein ungelöstes Problem. Etwa an der Willy-Brandt-Straße, am Maritim-Hotel. Dort befindet sich im Keller eines seit Jahrzehnten leerstehenden Transformatorenhauses aus den 1920er Jahren ebenfalls eine Bedürfnisanstalt. Eigentümer des Gebäudes sind die Stadtwerke und die Kommune. „Wir sind offen für alle Interessenten“, sagt Michael Schreiber von den Stadtwerken. „Wir können uns sowohl eine Vermietung oder Verpachtung, als auch einen Verkauf gut vorstellen.“ (mz)