Ausbildung bei Halle Ausbildung bei Halle: Für die Ausbildung von Spanien nach Holleben

Halle (Saale) - Jorge Sota León steht mit seinem Chef und zwei Kollegen vor einem großen Tank auf dem Gelände der Zörbiger Marmeladenfabrik. Sie sollen den vier Meter hohen Behälter isolieren. Dafür schneiden sie Dämmwolle zurecht und verkleiden sie komplett mit Blech. Jedes Blech ist zwei Meter lang und muss von Jorge exakt so gebogen werden, wie der Tank geformt ist. Das liegt dem 27-Jährigen, der im dritten Jahr Industrie-Isolierer lernt. Er stammt aus dem Norden von Spanien und hat schon in den verschiedensten Berufen gearbeitet. „Manchmal ist es hier ein bisschen hart mit dem Wetter“, sagt er und zieht sich seine Kapuze über den Kopf. Aber sonst macht er die Arbeit gern.
Freie Ausbildungsplätze für spanische Jugendliche
Wie Jorge lernen 15 andere junge Spanier im dritten Lehrjahr. Sie alle sind bei der Isolierungen Leipzig GmbH angestellt, die zur Gruppe G+H Isolierung gehört und deutschlandweit Niederlassungen hat. Da die Firma seit Jahren nicht genug Azubis findet, entschied sie sich ab 2013, freie Ausbildungsplätze an spanische Jugendliche wie Jorge zu vergeben. Ihnen werden über ein Förderprogramm mehrere Sprachkurse gezahlt, dazu auch zwei Flüge nach Hause pro Jahr. Jetzt, 2016, beenden Jorge und die anderen spanischen Industrie-Isolierer ihre Lehre, die als erster Jahrgang durch „MobiPRO-EU“ unterstützt wurden.
Das Ausbildungszentrum Bau in Holleben (ABZ Bau) bildet für über 40 Firmen aus ganz Deutschland die Azubis in über zehn Bauberufen aus. Gleisbauer, Stuckateure und Industrie-Isolierer lernen in den Werkstätten.
In Leuna besuchen sie die Berufsschule und vor allem im dritten Lehrjahr arbeiten sie in ihrem Betrieb. Neben dem Lehrlingsgehalt bekommen viele Azubis Unterkunft und Verpflegung gezahlt sowie den Führerschein.
Den engsten Kontakt zu den Spaniern hat das Ausbildungszentrum Bau (ABZ Bau) in Holleben. Die jungen Männer arbeiteten dort fast das gesamte erste Lehrjahr in der Werkstatt und lebten im angeschlossenen Internat, zusammen mit den deutschen Azubis. Im ABZ Bau werden Lehrlinge für über 40 Betriebe ausgebildet. Die Leiterin beschreibt die Arbeit mit den Spaniern als eine positive Herausforderung: „Wir haben eine andere Kultur und eine andere Mentalität kennengelernt. Und wir haben gelernt, Toleranz zu üben. Wir als Deutsche sind da manchmal sehr von uns überzeugt“, sagt Marlies Illing.
Herstellung anspruchsvoller Werkstücke
Jorge lernte im ABZ Bau die Grundlagen der Geometrie und Metallbearbeitung. Mittlerweile stellt er sehr anspruchsvolle Werkstücke her. Die dafür notwendigen deutschen Begriffe wie Kreuzschlitzschraubendreher kommen ihm leicht über die Lippen. Auf den Baustellen ist sein Chef aber nicht immer zufrieden mit ihm. Gerade wenn Jorge Edelstahl bearbeiten soll, drückt er manchmal versehentlich Beulen in das teure, schwierig zu bearbeitende Material. „Dann sagt mein Chef: Du hast fast ausgelernt und musst besser arbeiten: ohne Fehler, immer sauber“, beschreibt Jorge. Trotzdem hat er nie daran gedacht, die Ausbildung abzubrechen.
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Sieben der 23 spanischen Lehrlinge haben aber genau das getan. Manche hatten einfach keine Lust mehr, erinnert sich Jorge, andere hatten zu große Schwierigkeiten mit der Sprache oder Probleme mit ihrer Familie in Spanien. Marlies Illing, die seit zehn Jahren das ABZ Bau leitet, weiß aber: „Die Kündigung durch den Betrieb ist häufiger als das Abbrechen“.
Jorge Sota León hatte in Spanien keine Arbeit gefunden. Er machte zwei Ausbildungen zum Automechaniker, arbeitete außerdem als Schlachter, Kellner und Maurer. Doch die Jugendarbeitslosigkeit beträgt dort noch immer fast 50 Prozent. Von seiner Cousine hörte er, dass in Deutschland spanische Lehrlinge gesucht werden. Nach einer Eignungsprüfung mit mehr als 200 anderen Bewerbern und einem zweimonatigen Deutschkurs in Madrid, kam er im Sommer 2013 nach Holleben.
Deutschunterricht im „Mobipro-EU“-Programm
16 der ursprünglich 23 Spanier schließen im Sommer ihre Ausbildung zum Industrie-Isolierer ab. Jorge lernt deshalb schon jetzt an den Abenden in seiner kleinen Wohnung in der halleschen Innenstadt. Er hat Angst vor der Abschlussprüfung, weil er oft die Fragen auf Deutsch nicht versteht. „Ich muss Sozialkunde und Materialkunde können. Das ist nicht einfach für mich.“ Mathe ist dagegen kein Problem. Er denkt, dass es die Spanier leichter haben, die jetzt erst im 1. und 2. Lehrjahr sind. Denn sie hatten einen Monat mehr Deutschunterricht in Spanien. Das wurde am „Mobipro-EU“-Programm schon nachgebessert.
Nach der Ausbildung will Jorge unbedingt in Deutschland bleiben, auch wegen seiner Freundin, die in Halle Jura studiert. Seine Firma wird allerdings in diesem Jahr keine neuen Azubis aus Spanien holen. Nach drei Durchgängen will man erst einmal abwarten, wie viele Spanier nach der Ausbildung wirklich bleiben. Denn gerade aus den ersten beiden Lehrjahren hat schon über die Hälfte der jungen Leute abgebrochen. (mz)