Aus für alte Tatrabahn Aus für alte Tatrabahn: Historische Straßenbahnen sind reif fürs Museum

Halle (Saale) - Eine Ära geht zu Ende: Seit 1969 fahren Straßenbahnen des tschechischen Herstellers Tatra über die Schienen der Saalestadt. Die letzten Wagen sollen nun im Mai ausgemustert und verschrottet werden - einige davon sollen jedoch auch ins Museum der Halleschen Straßenbahnfreude kommen. Viele Erinnerungen sind an die Wagen verbunden und erste Leserzuschriften haben uns nach einem Aufruf vom Montag bereits erreicht. Die Redaktion freut sich auf weitere Zuschriften und Fotos!
MZ-Leser Jürgen Fuchs war selbst ab 1986 als Straßenbahnfahrer bei der Havag im Einsatz. Er schreibt: „Nach Abschluss der Fahrausbildung hatte ich auf Linie 4 meine erste Planfahrt in Richtung Heide mit einem voll besetzten Großzug. Selbstverständlich gab es auch eine Notfalleinrichtung bestehend aus einer Doppelsteckereinrichtung: Wenn diese getrennt wurde, setzte die gesamte Bremsanlage auf Ruck ein und die Warnglocke läutete ohrenbetäubend. Dieses passierte mir ausgerechnet bei dieser Fahrt, und das gesamte Fachwissen war wie weggeblasen. Aber Hilfe war da, weil ein Kollege in Zivil mitfuhr und trocken meinte: Stecke den Stecker wieder rein und der Zug fährt wieder. So war es auch, und ich muss da immer noch dran denken.“
Tatrabahn in Halle: „Eine ältere Dame fand die Stufen sehr hoch im Vergleich zu den Gothaer Fahrzeugen“
Malte Bismarck hat sich ebenfalls mit der Geschichte der Tatra-Bahnen beschäftigt. Er berichtet, dass in den USA bis 1951 ein spezieller Straßenbahnwagentyp entwickelt worden war, für den das Tatra-Werk Lizenzen erworben hatte. Jedoch schienen die Stromleitungen für die Nutzung der damals hypermodernen Wagen in Halle nicht ausgelegt: „Vor dem Bau der Trafostation in der Krausenstraße kam es beim zentralen Nachtanschluss am Steintor zum Zusammenbruch der Stromversorgung, wenn drei Bahnen gleichzeitig anfuhren“, so Malte Bismarck.
Er berichtet auch von weiterer Kritik: „Eine ältere Dame fand die Stufen sehr hoch im Vergleich zu den Gothaer Fahrzeugen, in denen der Wagenboden zu den Türen hin abgesenkt war. Ein Dozent an der TH Leuna-Merseburg hob 1973 hervor, dass die Tatra-Bahnen einen dreimal so hohen (oder dreifach höheren, das weiß ich nicht mehr genau) Wartungsaufwand hätten als die alten Gothaer.“
Tatrabahn in Halle: Erst 1891 wurde die Bahn elektrifiziert
MZ-Leser Harry Stöhsel hat sogar ein Gedicht verfasst: „Unsere Bimmel“ nannte er es. „Halle ist eine große Stadt,/ die viele schöne Facetten hat./ Seit 1878 sah man auf allen Vieren,/ die Pferdebahn durch Halle galoppieren.“
50 Jahre prägten die Tatra-Straßenbahnen das hallesche Stadtbild, im Mai sollen nun die Bahnen zum letzten Mal in Halle unterwegs sein. Zum Ende der Tatra-Ära möchte der Saalekurier noch einmal an die Tatra-Bahnen erinnern. Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen, egal ob Text oder Bild an die E-Mail-Adresse: [email protected]. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften.
Erst 1891 wurde die Bahn elektrifiziert - und Harry Stöhsel reimt weiter: „In Gotha hatte man gute Ideen,/ hier ließ man die Fahrzeuge für unsere Bahn entstehen./ 1969 das ist ja bekannt,/ kam der Tatrazug aus der Tschechoslowakei ins Land./ Bis heute das ist schön,/kann man diese Bahnen auf Halles Straßen sehen./ Sie prägen so Halles Gesicht,/ aber die Gothaer Wagen vergessen wir nicht.“ (mz)
