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Auf Ehrenwand in Israel verewigt Auf Ehrenwand in Yad Vashem verewigt: Ein Hallenser rettete zwei Jüdinnen vor dem Holocaust

Von Tanja Goldbecher 21.06.2020, 14:00
Erich Gadde erinnert an seinen Onkel Otto Landmann, der in der Ukraine zwei Jüdinnen vor dem Massenmord bewahrte.
Erich Gadde erinnert an seinen Onkel Otto Landmann, der in der Ukraine zwei Jüdinnen vor dem Massenmord bewahrte. Silvio Kison

Halle (Saale) - Die Judenverfolgung im Nazi-Regime wirkt aus heutiger Perspektive für manche wie eine unglaubliche Geschichte aus einer längst vergangenen Zeit. Doch das Attentat auf die hallesche Synagoge in der Humboldtstraße vor einem halben Jahr und der antisemitische Drohbrief gegen die Synagogengemeinde vor ein paar Wochen eröffnen eine andere Perspektive. Der Judenhass ist kein vergangenes, sondern ein immer noch aktuelles Problem. Erich Gadde, der vor allem durch sein Engagement für die Orgacid-Aufklärung in Ammendorf bekannt ist, nutzt den Zeitpunkt, um an den Mut seines Onkels zu erinnern.

Vom Dachdecker zum Kradmelder zum Retter

Otto Landmann wurde am 24. Mai 1906 geboren und wuchs im Ammendorfer Ortsteil Osendorf auf. 1930 heiratete er seine Frau Grete und wurde Vater von zwei Söhnen. Landmann wollte sich eigentlich als Dachdecker selbstständig machen. Als der Krieg ausbrach, wurde er jedoch als Kradmelder bei der Wehrmacht eingesetzt. Er hatte ein Motorrad samt Seitenwagen, was damals etwas besonderes war.

Später wurde er in Lutsk in der Ukraine stationiert, wo er für die Lagerräume der Armee verantwortlich war. In dieser Zeit lernte er die 17-jährige Tova Brandwein kennen. Die junge Jüdin arbeitete ebenfalls in dem Lager, lebte aber im Ghetto von Lutsk. Als das Ghetto 1942 aufgelöst wurde, versteckte sich Tova mit ihrer 19-jährigen Schwester Rachel in einem jüdischen Krankenhaus. Als Otto Landmann in der Klinik auftauchte, bat ihn Tova um Hilfe.

Hallenser versteckt Jüdinnen vor den Nazis und besorgt ihnen Papiere

Der Osendorfer zögerte nicht lange und brachte die beiden Schwestern mit einem Boot über den Fluss, der das Ghetto von der Armeebasis trennte. Dort versteckte er sie für etwa drei Monate in einem Lagerraum und versorgte die Frauen mit Nahrung, Kleidung und neuen Ausweispapieren von zwei polnischen Mädchen. Die Fotos auf den Papieren tauschte er mit den Bildern der beiden Jüdinnen aus. Mit diesen Dokumenten meldeten sich die jungen Frauen beim Arbeitsamt der heutigen Stadt Riwne, um auf deutschem Gebiet eine Anstellung zu bekommen.

Tatsächlich gelang es ihnen, in Königsberg in Ostpreußen, dem heutigen Kaliningrad, als Hausangestellte beschäftigt zu werden. Von dort aus schrieben die Jüdinnen regelmäßig Briefe an Otto Landmann. Sie waren die einzigen Mitglieder ihrer Familie, die den Holocaust überlebt haben. Ihr Retter verstarb letztendlich verwundet in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und kehrte nie wieder nach Osendorf zurück.

Otto Landmann wurde auf der Ehrenwand „Garten der Gerechten“ in Yad Vashem verewigt

In Halle wusste bis 2002 niemand von diesen Geschehnissen. Erst als sich Tova mit einem Brief an Otto Landsmanns Sohn Horst wandte, wurden sie bekannt. Darin schreibt sie: „Ich hoffe, dass wir uns mal treffen. Ich habe vieles zu erzählen.“ Dazu ist es leider nicht mehr gekommen.

Beide Jüdinnen sind mittlerweile in Israel verstorben. Aber die Familie erreichte noch ein weiterer Brief der israelischen Behörden. Otto Landmann wurde auf der Ehrenwand „Garten der Gerechten“ in Yad Vashem verewigt. Sein Mut, zwei Menschen gerettet zu haben, bleibt damit unvergessen. (mz)

Otto Landmann auf seinem Motorrad. Seine Frau Grete sitzt im Seitenwagen.
Otto Landmann auf seinem Motorrad. Seine Frau Grete sitzt im Seitenwagen.
Repro/Silvio Kison
Die Familie Landmann bei der Hochzeit der ältesten Tochter.
Die Familie Landmann bei der Hochzeit der ältesten Tochter.