MZ-Serie zum Anschlag von Halle - Teil 11 Mit Video: Antworten aus Halle - „Wie haben Sie den 9. Oktober erlebt?“
Die MZ hat auf der Straße Passanten zum Anschlag in Halle 2019 befragt. Das schreckliche Ereignis am 9. Oktober hat keiner vergessen.
Halle (Saale)/MZ - Der Anschlag am 9. Oktober 2019 in Halle, ein Tag, der sich in das Gedächtnis der Stadt eingebrannt hat. Ein rechtsextremer Attentäter will in Halle in der Synagoge der jüdischen Gemeinde ein Blutbad anrichten. Ausgesucht hat er sich Jom Kippur, einen der wichtigsten jüdischen Feiertage.
Anschlag in Halle 2019: So erlebten Hallenser den 9. Oktober
In einer elfteiligen MZ-Serie sind Zeitzeugen zu Wort gekommen. Welche Lehren zieht die Gesellschaft aus den furchtbaren Ereignissen? Die Demokratie ist verletzbar, muss deshalb aber wehrhaft bleiben.
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Das sind Stimmen aus Halle:
Martin-Gérard Beyer, Galerist: „Ich bin gegen 12 Uhr die Luwu runter gefahren und habe die Polizeiautos gesehen. Später erzählte mir meine Frau, es soll eine Schießerei gegeben haben. Ich war fassungslos, dass so etwas in meiner Stadt passiert.“„Ich bin gegen 12 Uhr die Luwu runter gefahren und habe die Polizeiautos gesehen. Später erzählte mir meine Frau, es soll eine Schießerei gegeben haben. Ich war fassungslos, dass so etwas in meiner Stadt passiert.“
Laura Moritz, Wissenschaftlerin: „Ich erhielt die Schreckensnachricht bei der Arbeit und wusste nicht so recht, wie mir war. Ich fühlte mich wie gelähmt und war sehr erschüttert über das Ausmaß des Hasses. So etwas soll sich nicht wiederholen!!!“
Wolfgang Rothe, Sozialpädagoge: „Wir haben an dem Tag eine Jugendreise nach Rockstock gemacht. Für die Jugendlichen waren die Ereignisse traumatisch. Wir erinnern jedes Jahr mit einem Fußballturnier an die beiden Todesopfer.“
Thomas Ziegler, Stadtfotograf: „Ich war beruflich im Paulusviertel unterwegs und bin danach zum ungefähren Zeitpunkt fast direkt am Geschehen vorbeigeradelt. Da wusste ich nichts davon. Ich war schockiert. Das hat mich Wochen begleitet.“
Mathias Göricke, Hausmeister: „Meine Tochter wurde am Tag zuvor geboren. Obwohl Ausgangssperre war, bin ich deshalb ins Krankenhaus gefahren. Der Anschlag war schlimm. Ich möchte nicht in der Haut der Betroffenen stecken.“
Marina Huske , Seniorin: „Wir wollten an dem Tag Blumen holen für unsere Tochter zum Geburtstag. Die ganze Geburtstagsfeier haben wir dann abgesagt, weil der Anschlag bei uns in der Straße war und alles abgesperrt war.“
Elias Franke, Industriemechaniker: „Ich war zu dem Zeitpunkt auf Arbeit ganz in der Nähe und habe dort eine Explosion gehört, wie ein Böller. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass das der Sprengsatz war, den ich da gehört habe.“
Christopher Dehn, Jugendbildungsreferent: „Ich war mit Jugendlichen im Schloss in Mansfeld. Wir wurden durch die Nachrichten auf den Handys unterbrochen und ich habe gemerkt, wie sich Panik breitgemacht hat. Einige von uns haben gebetet.“
Edith Friedrichs, Seniorin: „Eine Stunde vorher sind wir noch an der Synagoge entlang spaziert. Wer weiß, was passiert wäre, wären wir später dagewesen und hätten den Mann angesprochen. Ich bin nämlich ein sehr kommunikativer Mensch.“
Konstantin Kuntzsch, Sternekoch: „Zur Zeit des Geschehens war ich im Paulusviertel unterwegs und bekam das gar nicht so mit. Zuhause sah ich, dass Halle in allen Medien war. Ein rechtsextremer Angriff auf Mitmenschen ist abscheulich und unverzeihlich.“
Jutta Jahn, Leiterin Frauenzentrum „Dornrosa“: „Für uns war es ein sehr tragisches Ereignis, da Jana zu den regelmäßigen Besuchern unseres Frauenzentrums gehörte. Es ist wichtig, dass Toleranz durch Kultur und Bildung stärker gefördert wird.“
Benjamin Reichelt, Chemie- und Umweltingenieur: „Das Paulusviertel ist ein toleranter und weltoffener Ort und hat sinnlosen Hass nie akzeptiert. Es ist scheußlich, dass diese Werte von einer einzelnen Person auf so tragische Weise mit Füßen getreten worden sind.“
Henriette Franke, Sachbearbeiterin: „Ich bin eine halbe Stunde vorher mit der Bahn an dem Ort vorbeigefahren und das auch nur, weil meine Tochter gequengelt hat, dass sie früher los möchte. Jetzt bin ich da sehr froh drüber, dass es so war.“
René Duhre, Friseurmeister: Ich habe den Täter von meinem Geschäft aus gesehen. Eines der Geschosse prallte an meine Tür. Erst, als ich von dem zweiten Tatort hörte, war mir klar, dass es ein rechtsextremistisch motivierter Anschlag war. “
Doreen Oswald, Frührentnerin: „Ich war zuhause, habe das erst am späten Nachmittag im Fernsehen gesehen. Später war ich bei der großen Gedenkveranstaltung auf dem Markt. Das war bewegend.“
Ines Franke, Verkäuferin: „Ich wollte mich mit einer Freundin treffen, das haben wir dann aber sein gelassen. Ich hatte ein bisschen Angst an dem Tag, auch um meine Kinder.“
Kathleen Ackermann, Frührentnerin: „Ich denke an Jana und Kevin, die beiden Opfer. Ihr Tot war sinnlos. Ich weiß nicht genau, wo ich an dem Tag war. Mich beschäftigt der Anschlag nicht mehr so sehr.“
Nils Hagenberg, Arzt: „Ich war in Italien, als die Warnmeldungen über die App kamen. Mich hat beruhigt, dass meine restliche Familie auch nicht in Halle war. Was passierte, war schockierend.“
Viola Rieck, Chorleiterin „Missklang“: „Für unseren Chor, in dem Jana gesungen hat, war das Attentat ein Schock. Sie lebt in unseren Herzen weiter. Wir singen am 9. Oktober ab 17 Uhr am Tekiez für sie.“
Christoph Eichert, Pfarrer: „Was mich besonders bewegt hat, war das Friedensgebet in der Pauluskirche am Tag darauf. Das Erschrecken und der Zusammenhalt der Menschen waren groß.“
Ute Roth, Hallenserin: „Ich war zur Frühschicht, als ich davon erfahren habe, weil unsere außerhalb lebenden Kinder sich erkundigt haben, ob uns etwas passiert ist. Das war alles ganz schlimm.“
Kathrin Gruß, Touristin: „Wir waren kurz vorher erst zu Besuch gewesen, ich stamme aus Halle. Als wir davon hörten, haben wir das Geschehen im Fernsehen verfolgt. Man konnte es nicht glauben.“
Sebastian Pietsch, Apple-Mitarbeiter: „Ich habe in Halle studiert und mich sofort bei meinen in der Stadt lebenden Freunden gemeldet. Mich hat schockiert, wie viel rechter Hass sich damals Bahn brach.“
Torsten Drüppel, Hallenser: „An dem Tag war ich mit den Kindern unterwegs ins Kino. Meine Frau rief an, um uns zu warnen. Wir haben dann viel mit den Kindern über Antisemitismus gesprochen.“
Josephine Reinisch, Berlin: „Schlimm, was passiert ist. Gedenken ist wichtig, aber es reicht nicht aus. Gute Bildung ist wichtig, um Rassismus zu bekämpfen. Aber wie angesichts des Lehrermangels?“
Boban Ilic, Hobby-Fußballer: „Ich muss immer wieder an das Video denken, in dem Kevin um sein Leben bettelt. Er fehlt mir, wir haben zusammen Fußball gespielt und waren eng befreundet. “
Die MZ-Serie wird von großen Bodenaufklebern begleitet, die in der Innenstadt, vor der Synagoge, dem Tekiez, am Leuna-Chemie-Stadion und in Merseburg auf dem Entenplan zu finden sind. In der Mitte ist ein großer QR-Code.
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Wer ihn mit dem Handy scannt, kann zu jedem Serienteil den Text lesen und sieht ein Video mit den jeweiligen Protagonisten. Unterstützt wird die Aktion vom Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt.