Wer war das erste Anschlagsopfer? Anschlag auf Synagoge in Halle (Saale): Autogrammsammlerin Jana L. aus Halle war das erste Anschlagsopfer
Halle (Saale) - Wann immer Jana L. ihren Lieblings-Schlagersängern hinterherreiste, um in der ersten Reihe ein Autogramm zu ergattern, durfte ein Plakat nicht fehlen. „Liebe Anna-Carina und Stefan, Riesenfan Jana, Halle, freut sich über das Wiedersehen. Möge das Leben euch beiden nur schöne Momente schenken“, schrieb sie auf einem Konzert von Anna-Carina Woitschack und Stefan Mross vor gerade einmal zwei Tagen.
Doch ein Wiedersehen wird es nicht mehr geben. Jana L. ist das erste Opfer, das der mutmaßlich rechtsradikale Täter am Mittwoch in Halle vor der Synagoge erschießt, bevor er zu einem Döner-Imbiss fährt und dort einen weiteren Mann tötet. Freunde und Bekannte sowie Sänger, deren Konzerte die Hallenserin regelmäßig besuchte, sind fassungslos.
Trauer vor der Synagoge in Halle: Jana L. wurde kaltblütig erschossen
Einen Tag nach der Bluttat haben sich am Tatort vor der Synagoge in der Humboldtstraße hunderte Anwohner, Trauernde und Journalisten versammelt. Dutzende Kameras stehen auf dem Gehweg und filmen, wie Menschen Blumen und Kerzen an der Tür zum jüdischen Gotteshaus ablegen, die Stephan B. aufzuschießen versucht hatte. In der Menge stechen drei Frauen besonders hervor. Sie weinen, bleiben vor dem Blumenmeer stehen und drücken sich. Es sind Bekannte von Jana L., die mit den Worten ringen, als sie von ihrer Freundin erzählen.
„Sie hatte ein reines Herz, war lebensfroh, freundlich. Sie konnte niemandem etwas antun“, sagt eine der Frauen. Keine von ihnen will ihren Namen in der Zeitung lesen. Aber reden wollen sie, um den Opfern ein Gesicht zu geben, nachdem schon so viel über den mutmaßlichen Täter berichtet wurde. „Autogramme zu sammeln, war ihre Leidenschaft. Jana war immer in der ersten Reihe“, berichtet eine Freundin.
Am Tattag sei sie schlicht und ergreifend zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Sie sei wohl von der Straßenbahnhaltestelle am Wasserturm auf dem Weg nach Hause gewesen, sagen die Frauen. Auf dem Video, das der Täter bei seiner Attacke selbst aufgenommen und ins Netz gestellt hatte, ist zu sehen, wie Jana L. etwas zu dem schwer bewaffneten Mann sagt, als sie an ihm vorbeigeht. Offenbar erkennt sie erst danach, dass er eine Waffe trägt, beschleunigt ihren Schritt und wird von hinten kaltblütig erschossen.
Die grausamen Szenen schaute sich auch eine der Freundinnen an. „Ich wusste nicht, was auf dem Video zu sehen ist, sonst hätte ich mir das nie angesehen“, sagt sie. „Die Bilder bekomme ich nie wieder aus meinem Kopf.“ Jana L. wurde 40 Jahre alt, war laut ihren Freundinnen unverheiratet und hatte keine Kinder.
Dass jetzt so viele Menschen mit ihnen trauern, sei zwar schön, bringe ihnen ihre Freundin aber nicht zurück. Die Rede des Bundespräsidenten und des Ministerpräsidenten wollen sich die drei Frauen nicht anhören. „Wir müssen zur Arbeit“, sagen sie und huschen an den Journalisten vorbei in Richtung Pauluskirche.
„Riesenfan Jana, Halle“. Ihre Leidenschaft war das Sammeln von Autogrammen - aber nicht nur das. „Es gibt viele, die vor allem das Autogramm an sich wollen, so wie ich“, sagt Christoph Kräupziger, der ebenfalls Jana L.s Hobby teilt und sie seit rund zwei Jahren kennt. „Jana war da anders. Sie reiste vor allem wegen der Stars mit, manchmal fünf, sechs Stunden. Sie war ein richtiger Fan, immer bedacht, in die erste Reihe zu kommen“, sagt er.
Der Schlager sei ihr Ding gewesen. „Das letzte Mal haben wir uns vor einer Woche bei Linda Feller im Einkaufszentrum HEP getroffen. Sie hat immer viel mit uns gewartet, das gehört bei diesem Hobby mit dazu.“ In der eingeschworenen Gemeinschaft der Autogrammjäger aus Halle und der Umgebung habe sie sich wohlgefühlt. Beim gemeinsamen Warten auf die Stars habe man sich natürlich auch über Privates unterhalten. „Sie war sehr lieb und nett, in ihrer Art quirlig“, sagt Kräupziger und schluckt. „Auf einmal ist sie nicht mehr da. Sie wird mir fehlen.“
Musikwelt trauert um Autogrammsammlerin Jana L. aus Halle
Wie sehr Jana L. mit ihren Plakaten auch bei den Künstlern auffiel, zeigen die Reaktionen in der Musikwelt. „Der Amoklauf in Halle hat uns unseren treusten Fan aus Halle genommen. Lebensfreude, Musikfan und treuer Anhänger unserer Schlagermusik, das war Janas Leben“, schreibt die Schlagersängerin Anna-Carina Woitschack auf der Foto-Plattform Instagram unter einem Bild, das die beiden Frauen mit dem Plakat zeigt. „Wir haben sie noch begeistert vor zwei Tagen bei einer TV-Aufzeichnung in Leipzig getroffen. Glücklich und voller Lebensenergie.“
Auch die Saxofonistin Kathrin Eipert aus Brehna trauert und veröffentlichte ein Bild, das Jana L. mit einem Plakat zeigt: „Liebe Kathrin, Riesenfan Jana freut sich über Wiedersehen“, ist auf diesem zu lesen.
Ein Wiedersehen wird es nicht mehr geben. Dabei hatte Jana L. noch viele Autogramme vor sich. Um 9.47 Uhr, knapp zwei Stunden bevor sie ermordet wurde, teilte sie am Mittwoch im Internet einen Artikel über eine neue Zugverbindung, mit der es von Halle besonders günstig nach Berlin geht. (mz)