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Am Kirchtor Am Kirchtor: Bürgermeisters Haus bröckelt

Von JAN MÖBIUS 15.09.2010, 16:22
Das «Oberbürgermeister-Haus» in der Straße Am Kirchtor verfällt. Wie es damit weitergeht, interessiert offenbar niemanden.
Das «Oberbürgermeister-Haus» in der Straße Am Kirchtor verfällt. Wie es damit weitergeht, interessiert offenbar niemanden. Jan Möbius Lizenz

HALLE/MZ. - Aus der Dachrinne wuchert Gras. Putz bröckelt von der mit Graffiti beschmierten Fassade. Hinter einer hohen Mauer verbirgt sich ein ungepflegtes, zugewuchertes Grundstück. Seit Jahren verfällt das einst prächtige Haus Am Kirchtor 5. Nahe des Roten Ochsen gelegen, vermittelt es genau den Eindruck von Verfall historischer Gebäude, den Halles Rathausspitze eigentlich aus dem Stadtbild verschwinden lassen will. Besonders pikant: Im konkreten Fall hat die Verwaltung offenbar sogar selbst den maroden Zustand des Hauses zu verantworten.

Denn jahrelang war die Stadt Eigentümerin des Gebäudes, bevor sie es an die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) abgegeben hat.

Wohnhaus von Richard Rive

Was wohl nur wenige wissen: Die Villa Am Kirchtor 5 ist auch als Stiftungshaus bekannt. Denn der Bauunternehmer Friedrich Kuhnt (1836-1927) spendierte der Stadt im Jahr 1917 stolze 150 000 Mark mit der Auflage, das Gebäude als Dienstwohnung für den jeweiligen Oberbürgermeister zu kaufen. Tatsächlich wohnte Richard Robert Rive, Stadtoberhaupt von 1906 bis 1933, bis zu seinem Tod in der Villa, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Seine Nachfolger hingegen suchten sich andere Bleiben. Das Haus blieb in kommunalem Besitz, die Wohnungen wurden vermietet.

Ein besonderes Interesse am Erhalt der kulturhistorischen Immobilie hatte man in der Folge im Rathaus offenbar nicht. Bis heute weiß anscheinend niemand, wie es mit dem "Oberbürgermeister-Haus" weitergehen soll. "Zur Zukunft des Gebäudes kann ich keine Aussagen machen", sagte Stadtsprecher Steffen Drenkelfuß auf Nachfrage der MZ. Er verwies auf die HWG als Eigentümerin des Hauses. Dort bestätigte man Mittwoch nur, dass die Stadt das marode Gebäude an ihre kommunale Wohnungsgesellschaft abgegeben hat. Allerdings konnte auch bei der HWG niemand die Frage beantworten, wie es mit dem inzwischen leer stehenden Haus weitergehen soll. Geschäftsführer Heinrich Wahlen weilt auf einer Tagung, Pressesprecher Joachim Effertz ist im Urlaub - und jemand anderes, hieß es, dürfe sich dazu nicht äußern.

Chance nicht erkannt

In der Nachbarschaft wächst derweil die Sorge um die Gründerzeitvilla. "Es wäre sehr schade, wenn diesem Gebäude auch irgendwann der Abriss droht. Der Stadt würde es außerdem wesentlich leichter fallen, anderen Hausbesitzern Vorschriften zu machen, wenn sie sich selbst um ihr Eigentum gekümmert hätte", sagte ein Anwohner.

Christian Feigl vom Arbeitskreis Innenstadt sieht in dem Haus ein "ganz wichtiges Denkmal", zudem mit bemerkenswertem geschichtlichem Hintergrund. Ihn ärgert, dass die Stadt eben dies nicht als Chance erkennt. Für Feigl ist klar: "Die Stadt hat an dieser Stelle ihre Verantwortung nicht wahrgenommen."