Altes Handwerk Altes Handwerk: Klapperstorch ziert Schlafzimmer-Fenster
Halle/MZ. - Bunte Glasscheiben in allen Farben und Größen sowie Teile aus Blei liegen in Bernd Haases Werkstatt in der Reilstraße 8. Wenn man Bleiglasfenster restauriert, muss man nicht nur alte Handwerkstechniken beherrschen und geschickte Hände haben. Auch Kunstverständnis und Kreativität sind gefragt. Der 58-jährige Haase betreibt das Handwerk des Bleiglasers seit den 70-er Jahren. Von seinem ursprünglichen Beruf als Koch mag er heute nicht reden. Vor rund dreißig Jahren jedenfalls suchte der Bleiglaser Siegfried Klein einen Helfer. Haase war fasziniert von dessen Handwerkskunst. So begann er eine Berufsausbildung bei Klein und legte dort seinen Facharbeiter ab.
Als Klein 1984 starb, machte Haase sich selbstständig. "Das war nicht einfach damals", erinnert er sich. Innerhalb eines Jahres machte er seinen Meister und absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Kunsthandwerker. Das Material reichte vorn und hinten nicht. "Ich musste beim Rat der Stadt sogar eine Bescheinigung anfordern, um 17,5 Quadratmeter farbiges Glas aus Weißwasser holen zu können. Außerdem standen mir pro Jahr nur 50 Kilo Rohblei zu", erinnert sich Haase. Da blieb ihm nichts anderes übrig, als Schrottsammler anzusprechen. Auch Blei von alten Rohren war gefragt.
Zu DDR-Zeiten kamen die Aufträge zumeist von Häuslebauern, die ganz unterschiedliche Dinge haben wollten. Von der einfachen Rechteckverglasung bis zu ganzen Fensterbildern reichte die Palette. "Der kurioseste Auftrag war ein Klapperstorch für ein Schlafzimmerfenster", schmunzelt Haase.
Nach der Wende wandelte sich das Auftragsbild. Zu 90 Prozent ist der Meister nun mit Restaurierungen von alten Glasfenstern beschäftigt. Seien es Treppenhausfenster in Jugendstilhäusern, die von privaten Investoren saniert werden oder Fenster in öffentlichen Gebäuden. So hat Haase erst kürzlich die neun Fenster für die Dieskauer Kirche restauriert. Auch für die jüdische Synagoge in der Humboldtstraße, für die Gutjahrschule und für das Diakoniewerk hat er gearbeitet.
"Die Restaurierung alter Fenster ist nicht immer einfach. Oft fehlen größere Teile, die ersetzt werden müssen", erläutert Haase. Bei einem Fenster der Dieskauer Kirche zum Beispiel fehlten die Gesichter von Figuren, die auf das Glas gemalt waren. Hier hat sich Haase an den Gesichtern anderer Figuren orientiert. Manchmal muss er ganze Motive ersetzen, die im Stil zum Rest des Fensters passen müssen.
Der Zufall wollte es, dass er vor ein paar Jahren einen hilfreichen Fund für seine Arbeit machte. Als im Steinweg das Haus abgerissen werden sollte, in dem einst die Glaserei Ewald untergebracht war, fand Haase dort umfangreiche Literatur über Bleiverglasungen in Halle, die auf dem Sperrmüll landen sollte. In den alten Vorlagebüchern sind eine Vielzahl von Motiven abgebildet, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Häusern umgesetzt worden sind. "Die Bücher sind für mich ein unersetzbares Nachschlagewerk."
Bernd Haase ist nicht nur in Sachen Bleiglasfenster ein Tüftler. In seiner Freizeit baut er gern kleine Maschinen. Nach einer Dampfmaschine ist nun eine Heißluftmaschine dran. Nach Bauplänen fertigt er an der Drehmaschine alle Teile maßstabsgerecht an.