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Abschiedsraum für Körperspender Abschiedsraum für Körperspender: Eine Viertelstunde Abschied

Von Peter Godazgar 04.03.2014, 20:43
Im Entwurf führt der Weg zum aufgebahrten Leichnam durch einen Wald von dünnen Holzstangen.
Im Entwurf führt der Weg zum aufgebahrten Leichnam durch einen Wald von dünnen Holzstangen. Die Arge Lola Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Den eigenen Körper nach dem Tod der Wissenschaft spenden: In Halle und Umgebung treffen etwa 50 Menschen im Jahr diese Entscheidung. Solche „Körperspenden“ sind für die Lehrenden am Institut für Anatomie und Zellbiologie unerlässlich, um eine anschauliche und gründliche Ausbildung der angehenden Ärzte zu gewährleisten.

Wie aber gehen die Angehörigen mit der Entscheidung des Verstorbenen um? Vor allem: In welcher Form können sie sich von dem Toten verabschieden? Viel Zeit bleibt ihnen ohnehin nicht für den Abschied - eigentlich sind es nur wenige Minuten, vielleicht eine Viertelstunde, danach muss damit begonnen werden, den Leichnam zu konservieren.

Ungleich dramatischer ist die Situation für Angehörige von Unfall- und Verbrechensopfern, um deren Leichname sich die Pathologen und Rechtsmediziner kümmern. Insgesamt sind es wohl rund 100 Leichen, die alljährlich untersucht werden in den drei Uni-Instituten, die alle ihren Sitz zwischen der Magdeburger und der Großen Steinstraße haben.

„Man muss es so deutlich sagen: Es gibt bisher keinen angemessenen Raum zum Abschiednehmen.“ Das sagt der Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie, Prof. Bernd Fischer. Seine Kollegin, Prof. Heike Kielstein, machte auf diesen Umstand aufmerksam - und drängte zu einer Verbesserung des aktuellen Zustands.

Man fand dann auch zügig einen möglichen Ort, nämlich einen freigewordenen, ehemaligen Fachschaftsraum. Blieb die entscheidende Frage: Wie könnte solch ein Abschiedsraum aussehen?

Kunststudenten gestalten Raum

Warum nicht Halles einzigartiges Potenzial nutzen, sagten sich die Anatomen - und wandten sich an die Hochschule für Kunst und Design. Dort begeisterte sich Gastprofessor Mathias Brockhaus für den Plan - und rief ein entsprechendes Semesterprojekt ins Leben: Elf Studenten nahmen im Wintersemester daran teil - Titel: „Die Viertelstunde des Abschieds“. Nun liegen die Ergebnisse vor - und die Professoren Fischer und Kielstein sind schlicht begeistert.

Dabei seien die Studenten selbst anfangs eher skeptisch gewesen, erinnert sich Dozent Brockhaus. Der zur Verfügung stehende, langgezogene Raum ist ja gerade mal 30 Quadratmeter groß - sind da nicht die Gestaltungsmöglichkeiten etwas begrenzt? Fällt am Ende allen dasselbe ein? Die Sorge erwies sich als unberechtigt - die Entwürfe der Studenten könnten kaum verschiedener sein.

Das wird schon in den Titeln deutlich: „Haus des Übergangs“, „Lichtblick“ und „Himmelhoch“ heißen die Arbeiten - oder auch, den Blick optimistisch nach vorne gerichtet, „Weitermachen!“ (was übrigens die Grabinschrift des Philosophen Herbert Marcuse ist). Allen gemein ist, dass es sehr würdige und angemessene Entwürfe sind für die Ausnahmesituation, in der sich die Angehörigen ja immer befinden.

„Ich bin sicher, so etwas wird einmalig sein in Deutschland“, sagt Bernd Fischer. Bleibt noch die Frage der Umsetzung: Der Institutschef lässt keinen Zweifel, dass das Projekt keinesfalls auf die lange Bank geschoben werden soll. Was er aber noch nicht sagen kann, ist, wo das Geld herkommen soll. „Unsere große Hoffnung ist, einen Sponsor zu finden, der sich mit diesem Projekt identifizieren kann“, meint Institutsdirektor Fischer.

In der Diskussion über den gelungensten Entwurf (von links): Dana Mikoleit (künstlerische Mitarbeiterin), Mathias Brockhaus sowie die Anatomen Bernd Fischer und Heike Kielstein.
In der Diskussion über den gelungensten Entwurf (von links): Dana Mikoleit (künstlerische Mitarbeiterin), Mathias Brockhaus sowie die Anatomen Bernd Fischer und Heike Kielstein.
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