Abschied von der Burghalle Abschied von der Burghalle: Die Kultstätte verschwindet
Halle (Saale)/MZ - Volkhard Uhlig erinnert sich noch genau. „Damals hing noch dieser Pferdekopf oben an dem Bau, es war ja mal eine Reithalle. Auf dem Betonboden lag eine feine Schicht aus rotem Ziegelmehl, wir haben die Linien mit der Kreidemaschine gezogen. Es gab eine Toilette und einen Wasserhahn. Nicht einmal Füße waschen ging.“
Uhlig ist eine hallesche Basketball-Ikone. Seine Erzählung geht zurück auf Anfang der 50er Jahre. Er zog damals mit Halles Basketballern in die Fritz-Schwartze-Sporthalle ein, die so gar nicht tauglich war für ihren Sport. Doch dann wurde genau jene alte Reitarena aus den 20er Jahren, in der auch geboxt und Handball gespielt wurde, zum Sporttempel der Saalestadt - für Leistungs- und Schulsport. Und der heute 73-jährige Uhlig erinnert sich: „Es gab lange keine festen Körbe, wir mussten die Gestelle vor jedem Training rein- und danach wieder rausräumen.“
"Noch 1960 spielten wir hier auf einem Hilfsparkett"
Trotz aller Widrigkeiten: „Noch 1960 spielten wir hier auf einem Hilfsparkett die Olympia-Ausscheidung DDR gegen BRD - natürlich haben wir gewonnen“, erzählt Uhlig, der ehemalige Rekord-Nationalspieler der DDR mit 168 Einsätzen. In der Burghalle wurde auch 1969 einmal das Team von Estland 100:60 plattgemacht. Die baltischen Staaten waren damals - auch unter Oberhoheit der Sowjetunion - Basketball-Hochburgen Europas. Die Frauen unter Coach Gunther Schmidt unterlagen im selben Jahr Rigas Starteam knapp im Finale des Landesmeister-Europapokals. Das Spiel in Halle sahen angeblich 2 000 Menschen - in der Burghalle, wo zuletzt offiziell nur noch 300 Zuschauer rein durften.
Vier Mal waren Halles Männer-Basketballer DDR-Meister, gar 25 Mal die Damen des SC Chemie und später von KPV 69 mit DDR-Rekord-Auswahlspielerin Karin Lustgart (164 Spiele). Viele Hallenserinnen gehörten zum Bronze-Team der EM 1966, waren WM-Vierte 1967. Den Schnitt gab es 1969. Die DDR-Führung hatte beschlossen, Basketball nicht mehr zu fördern.
Zuletzt feierten die SV Halle Lions 2012 unter Trainer Martin Dornhoff, einem Kämpen wie Uhlig, mit der Vizemeisterschaft den größten Erfolg nach der Wende. „Es war die größte Überraschung der Neuzeit“, sagt der damalige Trainer Dornhoff im Rückblick.
Weitere Informationen zur Geschichte der Burghalle lesen Sie auf Seite 2.
Der Handball in der Burghalle war vor allem verbunden mit den Frauen der BSG Halloren Halle, jener in der DDR ungeliebten Betriebssportgemeinschaft, die es schaffte, sich immer zwischen den großen Klubs aus Frankfurt (Oder), Berlin, Leipzig, Rostock und Magdeburg in der DDR-Oberliga zu behaupten. Ines Seidler verbrachte „meine Kindheit und Jugend“ in dieser Sporthalle. Die wohl bekannteste Handballerin der Saalestadt gehörte zu jenem Team von Halloren, das nach der Wende in der Saison 1991/92 sogar auf Anhieb in der ersten Bundesliga spielte. „Der sofortige Abstieg war der Tiefpunkt, den ich in dieser wegen ihrer Enge einzigartigen Halle erlebt habe“, sagt Seidler.
Viele Jahre Höhepunkte waren für die heute 51 Jahre alte Trainerin der Oberliga-Männer des HC Burgenland die internationalen Klubturniere um den Fritz-Schwartze-Pokal, später Halle-Cup. Dort gaben sich Europapokal-Sieger wie Spartak Kiew, der TV Lützellinden, die Ungarinnen von Dunaferr FE und viele andere Teams reihenweise die Klinke in die Hand. Immerhin 28 Auflagen dieses zumindest bis in die Mitte der 90er Jahre hochkarätigen Wettbewerbs erlebte die ehrwürdige Sportstätte. „Das waren für uns Erstliga-Spielerinnen, die nie einen Platz in der Nationalmannschaft erreichen konnten, kleine Weltmeisterschaften“, erzählt Seidler. „Die Mannschaften wurden dort betreut, wie sonst nur Nationalteams bei kontinentalen Meisterschaften. Und sie sind alle gerne wiedergekommen.“
Wohnhäuser sollen entstehen
Für das letzte Schlaglicht des Handballs in der Burghalle sorgten 1992 die B-Juniorinnen von Halloren Halle mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft.
Als sich jetzt das Aus für die Halle abzeichnete, intervenierte der Basketball-Verband des Landes im Interesse der sieben Vereine, die dort ihre Heimstätte hatten. Klubs überlegten sogar, die Halle in Eigenregie weiterzuführen und für die erklecklichen Betriebskosten - etwa 73 000 Euro jährlich - aufzukommen. Nichts ging. Zu marode, null Infrastruktur. Unzumutbare Sanitärbedingungen, wie sich bei den Lions-Spielen zeigte, wenn sich in den Halbzeitpausen die Spielerinnen mit den Zuschauern die Toiletten teilten. Nein, ideal war da nichts mehr. Und die Stadt wollte diesen alten Klotz vom Bein haben. Die Sondergenehmigung läuft aus. In der Verwaltung war niemand böse darüber.
Nun wird die Burghalle abgerissen. Wohnhäuser sollen entstehen. Die Lions - auch die Handball-Frauen von Union Halle-Neustadt - ziehen um in die nagelneue Erdgas Sportarena. Die bietet allen Komfort, es riecht prima frisch dort - nur eben natürlich kein bisschen nach Geschichte. Andere Vereine müssen in Schulturnhallen.
Uhlig und Dornhoff wissen genau, wo sie an diesem Sonnabend sein werden: in der Burghalle. Zum letzten Mal. Die Abschluss-Veranstaltung der halleschen Basketballer wollen sie sich nicht entgehen lassen. Und vielleicht blickt Uhlig noch einmal nach oben, dorthin, wo einst der Pferdekopf hing.