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Wolf angefahren Wolf angefahren: Polizist muss Raubtier erschießen

Von Ulf Rostalsky 12.03.2019, 11:51
Wolf
Wolf imago stock&people

Schköna - Ein Wildunfall beschäftigt die Behörden. Zwar steht die amtliche Bestätigung noch aus. Doch vieles deutet darauf hin, dass bei dem Vorfall am späten Sonntagabend auf der Landstraße zwischen Schmerz und Schköna (Landkreis Wittenberg) ein Wolf von einem Pkw erfasst und dabei so schwer verletzt worden war, dass er vom herbeigerufenen Amtstierarzt von seinen Qualen erlöst werden musste.

Das hatten nach MZ-Informationen auch die zu Hilfe gezogenen Mitarbeiter des sachsen-anhaltischen Wolfskompetenzzentrums in Iden empfohlen. „Die Untersuchungen laufen jetzt. Detaillierte Erkenntnisse geben wir später bekannt“, betont Andreas Berbig, Leiter des Zentrums.

Der Vorfall ist nicht der erste dieser Art in der Region. Schon Anfang Januar war im Bereich der Zufahrt zum Outlet-Center in Brehna ein junger Wolf überfahren und getötet worden. Alles nur Zufall?
Axel Mitzka ist Vorsitzender des Vereins Dübener Heide, für den das Thema Wolf längst die theoretische Ebene verlassen hat.

Die Wolfsangriffe in der Stadt Gräfenhainichen sind überschaubar. Exakt sind es zwei, erklärt Bürgermeister Enrico Schilling (CDU). Vor genau einem Jahr hat es eine Attacke im Ortsteil Schköna - mitten im Heidedorf - gegeben. Es ist an einem Mittwochmorgen, als ein Hobbyzüchter seine Schafe mit Rüben füttern will. „Ich war geschockt“, berichtet der Mann der MZ. Er entdeckt ein völlig abgenagtes Tier - ursprünglich 45 Kilogramm schwer. Ein kleines Tier - etwa 15 Kilogramm - ist verschwunden. Zurück geblieben sind deutliche Blutspuren. „Mitgenommen“, kommentiert der Tierhalter. „Das war unser Baby“, sagt seine Ehefrau. „Wir haben es mit der Flasche aufgezogen“, berichtet sie. Streunende Hunde stehen nach Einschätzung von Experten nicht unter Tatverdacht. Ein Hund würde nach Auffassung von Jägern seine Opfer an Ort und Stelle zerlegen und nicht wegschleppen. Doch der Züchter hat nach dem Angriff noch eine ganz andere Sorge. Das gerissene Muttertier hinterlässt ein Lämmchen. „Ob wir es durchbringen können, wissen wir noch nicht.“ Kühnel ist aber optimistisch: „Es frisst.“ Der Hobbyzüchter beobachtet seine Schafe jetzt noch genauer. „Die Tiere verhalten sich anders“, sagt er. Sie bleiben strikt in Hausnähe und gehen nicht mehr den kleinen Hang runter, wo in der Nacht das wilde Tier eindrang.

In nur 24 Stunden wurden im März 2018 in Gniest in der Nähe eines Kinderspielplatzes nach Angaben der Polizei zwei Ziegen und ein Schafbock gerissen. Das Heidedorf gehört zur Stadt Kemberg.

In Möhlau, das ist ein Gräfenhainichener Ortsteil, werden neun Schafe - darunter vier tragende - und drei Lämmchen sind gerissen. Das passiert im Februar 2017. In Möhlau soll im September 2018 auch ein Wolf mit einem VW kollidiert sein. Die Suche nach dem verletzten Tier verläuft ebenso ergebnislos wie bei einem ähnlichen Fall in Oranienbaum.

„Der Wolf ist da. Das ist Fakt“, sagt der Heidefreund und berichtet von zwei Rudeln, die in der Dübener Heide unterwegs sind. Eines davon eben im Bereich Schköna-Hohenlubast, wo es am Sonntag zum Unfall kam. Dass Wölfe in Unfälle verwickelt sind, verwundert ihn deshalb nicht. „An solche Meldungen werden wir uns in Zukunft gewöhnen müssen.“

Für ihn haben die Unfälle eine weitere Dimension. „Beim Wolf ist es nicht anders als bei Rot- oder Schwarzwild: Je mehr Tiere da sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit an Wildunfällen.“

Nimmt der Wolfsbestand in der Heide also immer mehr zu? Mitzka kann die Frage nicht abschließend beantworten. Allerdings geht er angesichts zahlreicher Wolfssichtungen, von Attacken auf Nutztiere oder eben des Unfalls mit dem Pkw zwischen Schmerz und Schköna keinesfalls von einer kleinen Gruppe an Tieren aus. „Der Wolf reproduziert sich hier. Soll heißen: Er ist heimisch und sorgt für Nachwuchs.“

Der Unfall am Sonntagabend ist nicht unbeobachtet geblieben. Fred Müller ist zufällig an der Unfallstelle vorbeigekommen. „Die Unfallstelle war abgesperrt. Polizeitbeamte sicherten die Unfallstelle und den Bereich, wo das schwer verletzte Tier lag.“ Für Jäger Müller gibt es nach dem flüchtigen Blick auf den Vierbeiner keine Frage. Für ihn es ein Wolf.

Kritisch sieht er jedoch das Handeln der Akteure vor Ort. „Musste das Tier leiden, während auf Hinweise aus dem Wolfskompetenzzentrum gewartet wurde? Hätte nicht der Polizei oder dem Jagdpächter die Aufgabe erteilt werden können, das Tier mit einem Fangschuss von seinen Qualen zu erlösen?“ Fred Müller weiß nicht, wie lange sich das Tier quälte. „Aber andere wären bestimmt sehr schnell als Tierquäler abgestempelt worden. Das stelle ich hier mal in den Raum.“

Vorfälle mit Wölfen sind in der Heide nicht neu. Erst im Januar hatten in Schlaitz Wölfe bei zwei Übergriffen einen kompletten Damwildbestand gerissen. (mz)