Neu in Kommunalpolitik Neu in Kommunalpolitik: Was darf ein Ortsvorsteher?
Gräfenhainichen - Statt einem Rat aus mehreren Parteivertretern oder Einzelbewerbern werden bald zwei Ortschaften im Kreis von so genannte Ortsvorstehern repräsentiert. Beide Ortschaften liegen in Gräfenhainichen - die Kernstadt selbst und der Ortsteil Jüdenberg bekommen dieses für Sachsen-Anhalt neue Modell. Seit Anfang 2018 gilt die entsprechende Gesetzesänderung.
Der Ein-Mann-Gemeinderat
Die Aufgaben des Ortsvorstehers unterscheiden sich nicht allzu sehr von denen eines Ortschaftsrates, nur dass natürlich keine Mehrheitsentscheidungen mehr nötig sind. In der Gemeindeordnung ist diese Formulierung zu finden: „Der Ortsvorsteher wahrt die Belange der Ortschaft und wirkt auf ihre gedeihliche Entwicklung hin.“
Konkret bedeutet das, dass er sich in alle Angelegenheiten einmischen darf, die den Ort betreffen. Er muss dann - etwa vom Stadtrat - angehört werden und hat das Recht, Vorschläge zu machen. Außerdem darf er an sämtlichen Sitzungen der Ausschüsse und Stadträte teilnehmen und hat dort eine beratene Stimme.
Auf den Bürgermeister hat er zudem eine Art Kontrollfunktion - wieder nur solange, wie die Angelegenheit den Ort betrifft. Der Ortsvorsteher darf Akteneinsicht nehmen und Auskünfte verlangen. Im Prinzip ist er also ein Ein-Mann-Gemeinderat.
Eine wichtige Einflussnahme ist aber bekanntermaßen Geld. Über welche Summen der Ortsvorsteher verfügen darf, richtet sich nach der Hauptsatzung. Die, so erzählt Bürgermeister Enrico Schilling (CDU), müsse noch an die neuen Vorsteher-Posten angepasst werden. Bislang hätten Ortschaftsräte über 15.000 Euro im Jahr verfügen können. Ob das so bleibt, darüber müsse der Stadtrat noch entscheiden. Das Stadtparlament werde außerdem Stellvertreter für die Ortsvorsteher wählen.
Für die Wähler bedeutete das am Wahlsonntag nun, dass sie sich ihren Repräsentanten auf dem Wahlzettel aussuchen durften. Üblicherweise wird sonst ein Ortschaftsrat gewählt, der dann wiederum aus seiner Mitte den Ortsbürgermeister kürt.
Schwindende Ortschaftsräte
Die Entscheidung dazu, die Interessen der beiden Ortsteile nicht mehr von einem Gremium, sondern von einer Einzelperson vertreten zu lassen, hat man in Gräfenhainichen aus einer Notlage heraus getroffen. „Als 2011 die Einheitsgemeinde kam, haben wir uns für einen Ortschaftsrat entschieden“, erzählt Christel Lück (Linke), die bislang als Ortsbürgermeisterin Gräfenhainichens amtierte - und nun, zumindest nach dem sehr knappen vorläufigen Ergebnis - den neuen Posten als Ortsvorsteherin antreten darf.
Der Ortschaftsrat habe allerdings aus Stadtratsmitgliedern bestanden, die sämtliche Themen schon in den Stadtratssitzungen gehört hatten. Das Interesse daran, sich damit noch einmal im Ortschaftsrat auseinanderzusetzen, sei naturgemäß eher gering gewesen. Weil aktuell kaum noch jemand kandidieren wollte, habe sich die Stadt notgedrungen für den Ortsvorsteher entschieden, sagt Bürgermeister Enrico Schilling.
In Jüdenberg hatte es zuletzt noch zwei Abgeordnete für fünf Sitze im Rat gegeben. „Nachbesetzungen in Ortschaftsräten sind mit sehr viel Aufwand verbunden“, sagt der Leiter des Wahlbüros im Kreis, Reinhard Kelle. Die Ortsvorsteher seien eine Alternative für die Gemeinden, in denen sich nicht mehr viele Kandidaten für die Ortschaftsräte fänden. In Jüdenberg wird nun Steffen Schulze übernehmen. Er war der einzige Kandidat. (mz)