Flüchtlingspolitik Gräfenhainichen Flüchtlingspolitik Gräfenhainichen: Und der Stadtrat schweigt

Gräfenhainichen - Seit Mitte Dezember hat es Gräfenhainichen immer wieder in die Schlagzeilen geschafft: Mit einer Demo vermeintlich besorgter Bürger gegen die Asylpolitik, die sich als Aufmarsch des äußersten rechten Randes entpuppte. Mit wiederholten Anschlägen gegen das als Gemeinschaftsunterkunft vorgesehene ehemalige Schleifer-Gebäude und jetzt noch einmal mit einer sogenannten Spontandemonstration des rechten Lagers. Die Nachrichten sind überall zu vernehmen. Der Gräfenhainichener Stadtrat indes schweigt.
Bis jetzt gibt es kein Positionspapier des Gremiums zum Thema Flüchtlingspolitik und Gewalttaten. Mehr noch. Der Rat hat dazu nicht einmal diskutiert. Und das, obwohl Heidestädter wie Renate Bauer offen den Finger in die Wunde legten. Sie nutzte die Einwohnerfragestunde, um konkret Auskunft zu verlangen. Sie wollte wissen, welche Maßnahmen die Stadträte ergreifen möchten, um Gräfenhainichen als weltoffene Stadt bekanntzumachen.
Wie schwierig es ist, eine einheitliche Position gegen Rechts, für Toleranz und Weltoffenheit zu finden, zeigte sich auch in Bitterfeld-Wolfen. Die Stadt ist anerkannte „Stadt ohne Rassismus – Stadt mit Courage“. Als sich dort im letzten Jahr nach wiederholten Aufmärschen der rechten Szene die Initiative „Gemeinsam gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ bildete, sollte die Stadt auch deren Mitglied sein. Monatelang wurde im Stadtrat darüber debattiert.
Heute ist die Kommune weiterhin kein Mitglied. Die Räte haben sich aber mehrheitlich zu einer Erklärung bekannt, in der die Stadt dem Bündnis Unterstützung zusagt.
Es ist eine Frage, die auch Linken-Fraktionsvorsitzende und Gräfenhainichens Ortsbürgermeisterin Christel Lück bewegt. „Der Stadtrat sollte in Gänze Position zur Problematik Flüchtlinge beziehen“, lautete der Appell an die Kollegen im Saal. Geredet wurde auch danach nicht.
„Ich kann hier nicht die Diskussion aufmachen“, stellte Stadtratsvorsitzender Günter Schöley (CDU) am Dienstagtagabend klar. Zum Thema müssten sich erst die Fraktionen besprechen, schob er hinterher.
Vor diesem Hintergrund scheint eine gemeinsame Erklärung des wichtigsten Gräfenhainichener Gremiums in nächster Zeit praktisch ausgeschlossen. Zwar treffen sich im März sämtliche Ausschüsse des Stadtrates sowie die Ortschaftsräte in Schköna, Tornau und Möhlau zu außerordentlichen Sitzungen. Auch dürften die Fraktionen kurzfristig zusammenkommen. Gegenstand der Beratung ist allerdings in erster Linie der Haushalt für die Einheitsgemeinde, der am 22. März während einer ebenfalls außerordentlichen Stadtratssitzung beraten werden soll. Regulär tritt der Rat erst am 26. April wieder zusammen.
Ungeachtet dessen bezieht Bürgermeister Enrico Schilling (CDU) Stellung. Auch er war von Renate Bauer in die Pflicht genommen worden. Ob er wisse, dass sich Mitglieder der Initiative „offen, bunt, anders“ Woche für Woche mit Flüchtlingen treffen, sie unterstützen. „Das weiß ich,“ sagt das Stadtoberhaupt und erinnert außerdem an seine Teilnahme am Bürgerfest für ein weltoffenes Gräfenhainichen und seinen Appell an den „Aufschrei der Vernünftigen“, nach den Vorkommnissen vom Wochenende (die MZ berichtete). Die Kommune, fügt er hinzu, werde Aktivitäten pro Flüchtlinge unterstützen, wenn es ihre finanziellen Möglichkeiten denn erlauben. Der Stadtrat habe dann über die Beisteuerung von Mitteln zu entscheiden.
Ein deutliches Zeichen gegen Rechts und für Weltoffenheit hatte während der Übergabe einer Geldspende der Grünen-Landtagsfraktion an „offen, bunt, anders“ auch die ehemalige Bürgermeisterkandidatin der Linken, Konstanze Laasch, gefordert. Sie erwarte einfach mehr Engagement des Stadtoberhauptes, erklärte sie in aller Deutlichkeit. (mz)