150 Kündigungen in Gräfenhainichen 150 Kündigungen in Gräfenhainichen: Ambau am Ende

Gräfenhainichen - Die etwa 150 Mitarbeiter der Firma Ambau in Gräfenhainichen haben am Montag ihre Kündigungen erhalten. Das bestätigte am Dienstag der Insolvenzverwalter des Unternehmens. Dem Unternehmen war es nach der Insolvenz im Februar nicht gelungen, einen Käufer für das Werk in Sachsen-Anhalt zu finden. Ambau hatte Türme für Windkraftanlagen gefertigt.
Das Werk in Cuxhaven war, wie Insolvenzverwalter Gerrit Hölzle von der Wirtschaftsrechtskanzlei Görg bestätigte, an den chinesischen Windkraftkomponentenhersteller Titan Wind Energy verkauft worden. Dort sollen nach Informationen des RWS-Verlags mehr als ein Drittel der knapp 90 Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Wegen des Werks in Gräfenhainichen hatte der Insolvenzverwalter Gespräche mit mehreren Interessenten geführt, aber keinen Käufer finden können. „Wir mussten die Kündigungen zum Schutz der Insolvenzmasse jetzt aussprechen“, sagte Gerrit Hölzle der MZ.
Für die Mitarbeiter gebe es keine Übergangsphase - lediglich die geringe Chance, dass sich binnen der nächsten Wochen doch noch ein Käufer findet. Dann wäre die Kündigung hinfällig. Sonst gilt sie für alle Mitarbeiter zum 31. Dezember. Einen Betriebsrat hat das Werk nach Angaben des Insolvenzverwalters nicht. Aufträge gebe es nur noch bis Ende September.
Kein Investor gefunden
„Ein Interessent ist ganz spät und überraschend für uns in den Prozess gekommen“, sagte Hölzle. Alle anderen hätten inzwischen abgewunken. Der letzte verbliebene Kandidat müsste allerdings schon binnen der nächsten vier Wochen in das Ambau-Werk im Kreis Wittenberg einsteigen, um noch eine realistische Chance zu haben, das Unternehmen weiterführen zu können. Um wen es sich bei dem möglichen Investor handelt, will der Insolvenzverwalter nicht verraten.
Aus dem Umfeld des Unternehmens war zu hören, dass andere Investoren, Gruppen aus den USA und Europa wegen der schwachen Konjunktur in der Windkraftbranche abgesagt hätten. „Das ist politisch gemachtes Versagen. Der Windkraftausbau in Deutschland ist komplett zum Erliegen gekommen“, sagt Insolvenzverwalter Hölzle.
In der Tat befindet sich die Branche in einer historischen Krise: Im ersten Halbjahr 2019 waren so wenige Windräder in Deutschland gebaut worden wie seit 20 Jahren nicht mehr - ein Rückgang von 82 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gerade einmal 86 Anlagen waren im ersten Halbjahr im Bundesgebiet hinzugekommen. Zieht man die rückgebauten Anlagen ab, bleibt gar nur ein Plus von 35 Windkraftanlagen.
Gründe dafür sieht der Bundesverband Windenergie (BWE) vor allem im Genehmigungsstau für die Zulassungen zum Bau von neuen Windrädern und einer Masse an Klagen gegen die weißen Riesen. Kaum ein Windpark kann noch ohne langjährigen Rechtsstreit gebaut werden.
„Der Preiskampf hat die Zulieferer schwer beschädigt“, sagt Insolvenzverwalter Hölzle. Inzwischen werde in der Branche mehr Geld mit der Demontage von bestehenden Anlagen als mit der Installation von neuen verdient. Das betreffe auch den chinesischen Investor, der das Ambau-Werk in Cuxhaven gekauft habe.
Der verdiene auch an dem Rückbau und der Verschrottung von alten Windkraftanlagen - die Produktion von neuen Türmen sei hingegen derzeit kaum ein Thema.
In der Stadt wurde die Nachricht mit Schrecken aufgenommen. „Einer der größten Arbeitgeber meiner Heimatstadt wird [...] seinen Geschäftsbetrieb einstellen“, schrieb der Bundestagsabgeordnete Sepp Müller (CDU). „Persönliche Schicksale, Tränen und Zukunftsangst - es tut mir unendlich leid. Wir konnten als Politik nicht helfen. Es tut weh, mir fehlen die Worte.“ (mz)