Geschichte im Karton Geschichte im Karton: Zum Wegwerfen war es viel zu schade

Bernburg - Sorgfältig gebundene Ausgaben der Zeitschrift „Bernburger Bär“ aus den 1920er und 1930er Jahren, eine Mappe mit farbigen Drucken und eine alte Festschrift zum Jubiläum „800 Jahre Bernburg“ stapeln sich auf dem Wohnzimmertisch im Haus von Gerda Enke in Bernburg. „Ich habe in der Zeitung schon des Öfteren gelesen, dass alte Sachen gesucht werden“, sagt sie und hat deswegen in der Redaktion der Mitteldeutschen Zeitung angerufen. Was die 87-Jährige seit vielen Jahren in ihrem Besitz hat, ist für Geschichtsinteressierte sicher hochinteressant.
Von der alleinstehenden Tante geerbt
Seit 1970 befänden sich die gebundenen Bücher in ihrem Haus, gelagert in einem Karton im Schrank, erzählt Gerda Enke. In diesem Jahr sei damals ihre Tante gestorben, die sie noch einige Zeit gepflegt hatte.
Die Tante sei alleinstehend gewesen und als bei der Haushaltsauflösung bei vielen Dingen die Frage gestellt wurde, was damit geschehen soll, zeigte der Daumen bei den historischen Unterlagen nach oben. „Zum Wegwerfen sei das viel zu schade gewesen“, fand Gerda Enke schon damals.
Bei Experten besser aufgehoben
„Vielleicht“, so dachte sie seinerzeit, „interessieren sich ja meine Söhne mal dafür“, und nahm die alten Bände in einem Karton mit nach Hause. „Interessant sei das alles schon“, findet Sohn Torsten. „Aber sicher sei das besser bei Experten aufgehoben, die sich mit der Geschichte unserer Region befassen und historische Dokumente suchen“, sagt er.
Wer in den rund 80 bis 90 Jahren alten Büchern blättert, findet viel Lesens- und Sehenswertes aus längst vergangenen Tagen. Ein Beitrag vom 25. März 1939 stellt zum Beispiel Gaststätten und Kegelbahnen in der Bernburger Bergstadt vor. Ein weiterer Artikel berichtet über Taubentürme im Bernburger Land.
Eindruckvolle Bilde von der Saalestadt vor 83 Jahren
Andere Beiträge informieren über den Plötzkauer Bleichplan oder die Kirche von Beesenlaublingen. Eines der interessantesten Dokumente ist sicher die Festschrift der Zeitung „Anhalter Kurier“ vom 11./12. Juni 1938. Sie ist dem damals (so dachte man) 800-jährigen Jubiläum der Stadt Bernburg gewidmet.
Später stellte sich heraus, dass die Stadt älter ist. Alte Fotos und zahlreiche Anzeigen ansässiger Händler und Unternehmen vermitteln ein eindrucksvolles Bild der Saalestadt vor 83 Jahren. „Es wäre schade, wenn das bei mir nur rumliege“, meint Gerda Enke.
In dem Karton befanden sich nicht nur heimatliche Beiträge aus dem „Bernburger Bär“ und ganze Jahrgangsbände der Zeitschrift, sondern auch Hefte mit dem Titel „Rote Fahnen über Bernburg“ aus dem Jahr 1918, „Deutsche Schwänke“ von 1925, ein Anhalter Sagenbuch von 1927 sowie ein Anhalter Gesangsbuch für Kirche, Schule und Haus aus dem Jahr 1905.
Wo stammen all die Papiere her?
Wo ihre Tante die alten Papiere her habe, weiß Gerda Enke auch nicht so genau. Sie habe bis zu ihrem Tod im Jahr 1970 in der Bernburger Friedensallee, gegenüber der Post gewohnt, berichtet sie. Laut Informationen ihrer Tante gab es wohl damals in ihrem Haus oder nebenan eine Zeitungsdruckerei, von wo die Dokumente stammen könnten. Aber sicher ist sich die rüstige Seniorin da nicht.
Bis vor zwei Jahren hat sie selbst noch eine Seniorentanzgruppe geleitet. Nach einer Knie- und einer Hüftoperation musste sie diese Tätigkeit aber leider aufgeben. Das Tanzen habe ihr immer sehr viel Spaß gemacht, berichtet Gerda Enke. Sogar auf der Bundesgartenschau in Magdeburg, auf Sommerfesten und Weihnachtsfeiern sowie bei zahlreichen Veranstaltungen sei sie mit ihrer Gruppe aufgetreten, erinnert sie sich.
„Wer rastet, der rostst“, ist ihr Motto. Bewegung sei immer gut, bis ins hohe Alter, weiß Gerda Enke, die im Jahr 1946 aus ihrer Heimat, dem Sudetenland, vertrieben wurde und seitdem in Bernburg wohnt. (mz)