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Wiesenhaus in Eisleben Wiesenhaus in Eisleben: Traum von einem Theater ist geplatzt

Von Burkhard Zemlin 06.06.2016, 12:00
Das Wiesenhaus um 1916, als das 1801 errichtete Etablissement als Lazarett diente. 1950-52 entstand auf alten Mauern ein Neubau.
Das Wiesenhaus um 1916, als das 1801 errichtete Etablissement als Lazarett diente. 1950-52 entstand auf alten Mauern ein Neubau. Archiv/Peter Lindner

Eisleben - Anfang Juni 1946 kündigte sich in Eisleben eine neue Nutzung des ehemaligen Stadtschützenhauses an, das heute jedermann unter seinem alten Namen „Wiesenhaus“ bekannt ist.

Denn so hieß das im Jahre 1801 errichtete Etablissement bis 1920, dann erfolgte im Zuge der durch die Novemberrevolution von 1918 eingeleiteten Umwälzungen die Umbenennung in Volkshaus, und 1933 begann die Zeit als Stadtschützenhaus, die bald nach dem Ende der Naziherrschaft 1945 wieder vorbei war.

Umbau in drei Etappen

„Eisleben schafft eine neue Kulturstätte“, unter dieser Überschrift informierte Oberbürgermeister Kurt Lindner am 4. Juni 1946 in der Tageszeitung „Freiheit“ über die Pläne der Stadt in dem traditionsreichen Haus an der Wiese. Er wies darauf hin, dass in Eisleben sowohl für Theater oder Konzerte oder „grössere Kundgebungen politischer Art“ keine Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Doch nunmehr habe die Stadt von der Mansfeld AG Eislebens größten Saalbau „mit den besten Bühnenverhältnissen“ übereignet bekommen, den sie nutzen möchte.

Volkshaus sollte modernisiert werden

„Nach einem wohldurchdachten Plan soll das Bühnenhaus umgearbeitet werden, so dass die Bühne breiter und tiefer und daher allen Anforderungen, die Oper, Operette und Schauspiel an sie stellt, gerecht wird“, so Lindner, der auch im Saal Veränderungen ankündigte, „um eine gute Akustik zu gewährleisten“.

Das Wiesenhaus war im 19. Jahrhundert die wichtigste Kultur- und Versammlungsstätte der Lutherstadt. Im Revolutionsjahr 1848 fand hier die Gründungsversammlung des „politischen Klubs“ statt. 1869 gab hier eine Lehrerversammlung den Anstoß zur Errichtung des Lutherdenkmals. 1892 verlangte eine Bergarbeiterversammlung, dass im Interesse des Bergbaus der Salzige See ausgepumpt werden müsse.

1900 wurde im Wiesenhaus Johann Strauß, ein Neffe des Walzerkönigs, mit seinem Orchester angekündigt. 1905 erfolgte hier der Auftakt der Schillerfeiern zum 100. Todestag des Dichters. Die katholische Gertrudgemeinde feierte hier 1909 ihr 50-jähriges Bestehen. 1913 spielte hier der Geigerkönig Willy Burmester. 50 Jahre später begeisterte der Kreuzchor unter Leitung von Prof. Rudolf Mauersberger das Publikum.  (bz)

Der Oberbürgermeister fuhr fort: „Wie in jedem guten Konzert- und Theatersaal soll auch hier festes Gestühl mit entsprechender Erhöhung eingebaut werden. Neue Garderobenräume und breite Eingänge sollen geschaffen und für einen reibungslosen und ordentlichen Verkehr sorgen. Kurzum, das alte Volkshaus von 1933 soll nicht nur renoviert, sondern auch modernisiert werden.“

Stadt konnte Aufgabe allein nicht bewältigen

Der Umbau sollte in drei Etappen erfolgen: Zuerst die Bühne und der Saal, dann die Gasträume und zum Abschluss noch das äußere Gesicht des Hauses einschließlich Gartengestaltung. „Nach Möglichkeit sollen schon im kommenden Winter alle öffentlichen Kundgebungen sowie Theater-, Konzert- und Varieté-Veranstaltungen im neuen Kulturheim durchgeführt werden“, schrieb Kurt Lindner, dem allerdings klar war, dass die Stadt diese Aufgabe nicht allein bewältigen kann. Er war jedoch überzeugt: „Wenn die gesamte Öffentlichkeit mitarbeitet, dann wird es trotz aller Schwierigkeiten der Material- und Geldbeschaffung möglich sein, Eisleben die so dringend benötigte repräsentative Kulturstätte zu beschaffen.“

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Der Oberbürgermeister musste jedoch bald erfahren, dass für die Umsetzung eines solchen Vorhabens nach den verheerenden Kriegsschäden überall im Land die materiellen Voraussetzungen fehlten. Ein halbes Jahr später musste er auch noch seinen Stuhl im Rathaus räumen, während das Projekt Wiesenhaus erst einmal in der Versenkung verschwand.

Erst im Mai 1950 kam es wieder öffentlich ins Gespräch, als die „Freiheit“ sich dafür einsetzte, das Haus wieder in einen würdigen Zustand zu versetzen. Bald darauf begann dann der Umbau, der aber wohl tatsächlich ein Neubau war. Denn als hier im September 1952 das Klubhaus der Jugend und des Sportes seine Pforten öffnete, erinnerte nichts mehr an das alte Wiesenhaus, dessen von einem barocken Walmdach gekröntes Fachwerk seit 1801 das Bild am Rande des Wiesengeländes bestimmte.

Wunsch doch noch erfüllt

Bald nach der Einweihung sah auch Kurt Lindner, der in den Museen der Lutherstadt eine neue Aufgabe erhalten hatte, seinen Wunsch von einer Kulturstätte in Eisleben erfüllt. Der Rat des Bezirkes Halle beschloss die Gründung eines Theaters in Eisleben, das am 11. Oktober 1953 im Klubhaus der Jugend und des Sportes seine Pforten öffnete. Drei Jahre blieb es hier, dann erfolgte Ende 1956 der Umzug an die Landwehr in das umgebaute ehemalige Etablissement „Zur Terrasse“, das neue Thomas-Müntzer-Theater, heute Heimstatt der Kulturwerk GmbH. (mz)

Das Wiesenhaus heute
Das Wiesenhaus heute
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