Tierschicksal in Eisleben Tierschicksal in Eisleben : Pfau Charly ist nicht zu fassen

eisleben - Annett Gerlach kann kaum noch hinschauen: Ihre Pfauenhenne Emma ist völlig geknickt. Dabei könnte die sich freuen, denn sie brütet gerade in der heimischen Voliere am Lademannschacht drei Eier aus. Doch Emma hat Liebeskummer: Hahn Charly hat sich vor etwa zwei Wochen auf die Strümpfe gemacht und sorgt seither in der Lutherstadt Eisleben für Aufregung.
„Sie trauert schon die ganze Zeit“, berichtet die Eisleberin, die auf dem Friedrichsberg wohnt. Als sie am Freitag in der MZ liest, dass der Besitzer eines Pfaus gesucht wird, der sich rund um die Petrikirche niedergelassen hat, ruft sie sofort in der Redaktion an. „Das ist unser Charly, den wir alle so vermissen“, sagt sie am Telefon. Vor allem Enkelsohn Lenny wünscht sich, „dass Charly wieder zurückkommt“, wie er später zur Stippvisite bei der Familie kundtut.
Eigentlich lebt das Pfauenpaar seit drei Jahren auf einem großen Grundstück am Lademannschacht, auf dem auch die Pferde der Eisleber untergebracht sind. Nachdem der erste „Ehemann“ von Emma verstorben war, erwarb die Familie einen neuen Hahn aus einem Tierpark in Sachsen-Anhalt. „Emma sollte nicht alleine bleiben“, sagt Jürgen Gerlach, der wie seine Frau ein Faible für Pfauen hat.
Beide Tiere verstehen sich auf Anhieb prächtig. Keiner ahnt damals, welche Bescherung eines Tages noch auf die Eheleute warten sollte. Als ihre Tochter vor vierzehn Tagen bei den Pfauen vorbeischaut, entdeckt sie, dass Charly auf dem Dach der Voliere sitzt. Wie das Tier aus dem Gehege entweichen konnte, das gibt der Familie noch immer Rätsel auf. „Vielleicht hat jemand das Gehege geöffnet“, mutmaßt Annette Gerlach, ohne jemanden verdächtigen zu wollen.
Wie auch immer: Von da an beginnt die Jagd auf Charly, an der sich mittlerweile fast die ganze Lutherstadt beteiligt. Auch im Garten von Oberbürgermeisterin Jutta Fischer ist er schon aufgetaucht, wie sie am Freitag in einem Fernsehbeitrag verrät. Doch niemanden ist es bisher gelungen, den ausgebüxten Hahn wieder einzufangen.
„Das ist fast wie ein Glücksspiel“, so Jürgen Gerlach. Anfangs treibt sich Charly auf dem städtischen Friedhof herum und ruft dadurch das Ordnungsamt auf den Plan. Sie sei bestimmt 20 Mal runtergefahren, immer, wenn er gesichtet wurde, erzählt Annett Gerlach. Erwischt hat sie ihn nicht. Bis heute. Obwohl Charly inzwischen sein neues Revier in die Innenstadt an die Petrikirche verlegt hat. Mal stolziert er über eine Straße, dann schwingt er sich auf Dächer oder sucht Nahrung im Park. Sogar die Helftaer Feuerwehr ist schon mit ihrer Drehleiter ausgerückt. Doch auch die Blauröcke konnten Charly nicht habhaft werden.
Wenn ihm jemand zu nahe kommt, nimmt er Reißaus. „Pfauen sind halt Fluchttiere, das macht es so schwer, ihn zu kriegen“, weiß sich auch Jürgen Gerlach langsam keinen Rat mehr, wie man Charly nach Hause locken kann. Er hat jetzt Urlaub und hofft, dass er es in dieser Zeit schafft, ihn zu fangen.
In den Petrihöfen hat die Familie einen Kescher und einen Jutesack bereitgelegt, für den Fall, dass der Hausmeister der Wohnhäuser ihn mal wieder zu Gesicht bekommt oder jemand anders ihm nahe genug kommt. Wer ihn einfängt, dem verspricht die Familie auch einen Finderlohn. „Hauptsache wir haben unseren Charly gesund wieder zurück“, so Annett Gerlach.
Die ganze Aufregung zerrt auch an ihren Nerven. Dabei steht die Hochzeit der Tochter am nächsten Sonnabend bevor. „Vielleicht empfängt Charly die Brautleute, wenn sie aus dem Rathaus kommen“, flachst die Brautmutter, die den Humor noch nicht verloren hat. (mz)

