Wie ein Sechser im Lotto Theater Eisleben: Ausbildung zur Maßschneiderin

Eisleben - „Für mich ist das wie ein Sechser im Lotto“, sagt Anja Becker-Geipel, die Leiterin der Kostümabteilung des Eisleber Theaters. „Sie arbeitet sehr umsichtig und akkurat. Und sie hat die handwerkliche Erfahrung. Das ist sehr wichtig.“ Das Lob gilt Ramona Reissig, die seit Beginn dieser Spielzeit in der Kostümabteilung eine Ausbildung absolviert.
„Sie ist der erste Lehrling hier in der Werkstatt überhaupt“, sagt Becker-Geipel. Und das, obwohl die Kostümabteilung einst deutlich größer war und in Spitzenzeiten zwölf Mitarbeiterinnen zählte. Davon zeugt noch der Fundus, der mehrere Tausend handgefertigte Kostüme umfasst.
Theater Eisleben: Ausbildung in der Kostümabteilung
Ramona Reissig stammt aus Naumburg und lebt heute mit ihrem Partner in Bernburg. Die 36-Jährige hat nach der Schule den Beruf Gestaltungstechnische Assistentin Mode gelernt. Nach der Ausbildung habe sie in Köthen ihr Fachabitur abgelegt und anschließend zwei Jahre in Dessau Vermessungswesen studiert.
Dann sei sie nach Bernburg gezogen und habe am dortigen Theater mehrere Jahre als Ein-Euro-Jobberin beziehungsweise mit einem Mini-Job gearbeitet. „Ich habe für verschiedene Amateurtheatergruppen Kostüme geschneidert“, erzählt Reissig. Vor fünf Jahren wurde sie dann angesprochen, ob sie sich zutrauen würde, als Kostümschneiderin beim Schönebecker Operettensommer zu arbeiten.
Ramona Reissig: Umschulung zur Maßschneiderin
Der Operettensommer ist eine Veranstaltungsreihe der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, die im nächsten Jahr zum 24. Mal stattfindet. Vier Wochen im Juni/Juli wird auf einer Freilichtbühne eine Operette gespielt. Dieser Sommer-Job hat Reissig viel Erfahrung und Routine verschafft, wovon sie jetzt natürlich profitiert. „Sie ist sehr flott an der Nähmaschine“, sagt Becker-Geipel. „Ich muss ihr auch nicht alles vom Urschleim an erklären.“
Mit ihrer Umschulung zur Maßschneiderin - Fachbereich Damen - möchte Reissig in zwei Jahren den Gesellenabschluss erlangen. Sie hatte zuvor in mehreren Theatern angefragt. Becker-Geipel, die früher unter anderem eine private Schule für Maßschneider in Leipzig geleitet hat, hatte großes Interesse an der Umschülerin.
Ausbildung am Theater Eisleben
Zumal beide auch in einem Praktikum festgestellt hatten, dass „die Chemie stimmt“. Die Organisation sei allerdings nicht ganz einfach gewesen. Mit großer Unterstützung durch die Arbeitsagentur und die Industrie- und Handelskammer sei eine Lösung gefunden worden, um eine betriebliche Einzelausbildung zu ermöglichen.
Bildungsträger ist die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) gGmbH in Bernburg. Die schulische Ausbildung findet in Dresden statt. „Es ist natürlich eine Herausforderung, noch einmal zur Schule zu gehen“, sagt Reissig, die dabei etwa an das Fach Mathematik denkt. Was hat Mathematik mit Schneidern zu tun? „Man muss zum Beispiel Röcke berechnen.“
Insgesamt komme es in dem Beruf darauf an, dass man komplexe Dinge schnell erfassen könne, sagt Becker-Geipel. „Man muss gute Augen und Hände haben, technisches Verständnis und man muss zweidimensional denken können.“ Ihr mache es viel Spaß, Wissen und Fertigkeiten weitergeben zu können. „Wir haben einen alten Herrenschneider, der hier über 40 Jahre gearbeitet hat und ab und zu noch vorbei kommt. Das Spezialwissen, das so ein Mensch hat, ist ein Schatz.“ (mz)