1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Eisleben
  6. >
  7. Tagebau in Amsdorf: Tagebau in Amsdorf: Braunkohle-Ausstieg bedroht Arbeitsplätze und Existenz von Romonta

Tagebau in Amsdorf Tagebau in Amsdorf: Braunkohle-Ausstieg bedroht Arbeitsplätze und Existenz von Romonta

Von Anke Losack 19.09.2017, 13:43
Jörg Stieber (l.) von der Romonta GmbH  erklärt Besuchern beim Tag der offenen Tür im Werk in Amsdorf die  Anlagen.
Jörg Stieber (l.) von der Romonta GmbH  erklärt Besuchern beim Tag der offenen Tür im Werk in Amsdorf die  Anlagen. Jürgen Lukaschek

Amsdorf - Silvio Jacob steht auf der neuen Aussichtsplattform am Tagebau in Amsdorf und lässt den Blick über die Grube schweifen. Es werden bei ihm Erinnerungen wach, Gedanken an den Erdrutsch in der Nacht zum 6. Januar 2014. „Ich hatte Nachtschicht“, erzählt Jacob, der damals auf einem Großgerät im Tagebau gearbeitet hat.

Sein Schichtsteiger habe gegen 3 Uhr Unregelmäßigkeiten an den Bändern festgestellt und daraufhin die Mitarbeiter gerufen, die den Tagebau schnell verließen. „Wir haben alle eingesammelt und als wir oben waren, haben wir nur noch etwas rauschen gehört. Wir wussten aber nicht, was es war“, erzählt er. Kurz darauf habe man hören können, wie etwa die Bandwagen auseinander gesprengt wurden.

Die 16 Arbeiter, die im Braunkohletagebau der Romonta GmbH zum Zeitpunkt der Rutschung arbeiteten, hatten damals Glück. Keiner wurde verletzt, als etwa sechs Millionen Kubikmeter Erdmassen von der Südböschung in die Kohlegrube rutschten. Darunter ein schweres Abraumgerät, Gleis- und Bandanlagen sowie Kohle für ein Jahr. Geräte konnten geborgen werden. „Die Kohle ist noch verschüttet, da werden wie nie wieder herankommen“, so Jacob. 2015 konnte ein Abraumbagger im Tagebau wieder die Arbeit aufnehmen.

Der Romonta GmbH, die weltgrößter Hersteller von Rohmontanwachs ist, ist durch den Erdrutsch ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden. Externe Kohlelieferungen mussten geordert werden, damit der Betrieb nicht zum Erliegen kommt. Wie Jacob, der seit 2014 Betriebsratsvorsitzender ist, sagt, habe das Unternehmen 18 Millionen Euro gekostet. „Dieser Schaden hat uns nicht in die Knie gedrückt“, sagt der Vorstand der Romonta Bergwerksholding AG, Uwe Stieberitz. Er hat aber eine andere große Sorge: „Dass die Politik uns in die Knie drückt.“

Im Tagebau in Amsdorf wird Braunkohle mit sehr hohem Wachsgehalt abgebaut. Im Romonta-Werk wird aus der Kohle der Wachs entzogen und weiterverarbeitet. Es wird Rohmontanwachs hergestellt.

Zum Einsatz kommt dieser unter anderem in Schuhcremes, in Asphalt, in künstlichen Kniegelenken, in Kosmetika, Polituren oder Farben. Im Tagebau steht der Betrieb am Wochenende, da der Kohlelagerplatz eine Kapazität für drei Tage hat. Durchgängig arbeiten aber die Wachsfabrik und das Kraftwerk.

Im Kraftwerk werden Braunkohlerückstände aus der Wachsproduktion und auch andere Ersatzbrennstoffe aus Industrie- oder Hausmüll verbrannt. Der daraus gewonnene Strom wird zum Betrieb des eigenen Werkes verwendet. Stromüberschüsse werden in das öffentliche Netz eingespeist. Zur Unternehmensgruppe gehört auch eine Tochterfirma, die einen Solarpark betreibt.

Das Traditionsunternehmen im Mansfelder Revier hat anlässlich des 95-jährigen Produktionsjubiläums Interessenten am vergangenen Samstag die Gelegenheit gegeben, beim Tag der offenen Tür hinter die Kulissen von Romonta zu schauen - etwa in die Wachsfabrik, die Leitwarte oder das Grubenheizkraftwerk. Es war der Unternehmensführung dabei auch wichtig, Besuchern den Ernst der Lage zur Zukunft des Unternehmens in Gesprächen zu erläutern.

Sechs Millionen Kubikmeter Erdmassen rutschen 2014 in den Tagebau Amsdorf

„Sorgen bereitet uns der Sinneswandel in der Politik der letzten Jahre“, sagt Rena Eichhardt, Geschäftsführerin der Romonta GmbH. Man habe den Eindruck, dass „frühere Bekenntnisse der Bundes- und Landesregierung zur weiteren Nutzung der einheimischen Braunkohle nichts mehr wert sind“. Wie Eichhardt betont, wird von Umweltverbänden und der Politik „vehement“ der sofortige Ausstieg aus der Braunkohle gefordert.

„Dabei wird kein Unterschied gemacht zwischen reiner Verstromung der Kohle in den Kraftwerken oder einer stofflichen Nutzung zur Gewinnung wertvoller Rohstoffe.“ Eben das, was Romonta seit 95 Jahren auszeichnet. Und die Nachfrage nach Rohmontanwachs sei nach wie vor da, so Eichhardt.

Nach Angaben der Geschäftsführerin habe die Entwicklung am Energiemarkt, sinkende Einspeisevergütung für Strom aus Braunkohle einhergehend mit Unwägbarkeiten für den Erwerb von Zertifikaten für den daraus resultierenden CO2-Ausstoß Romonta in den vergangenen Monaten keine andere Wahl gelassen, als „zusätzliche Maßnahmen zur Kostensenkung umzusetzen“. 60 Mitarbeiter mussten entlassen werden.

Romonta hat Visionen, doch weitere Arbeitsplätze sind in Gefahr

Wegen des seitens der Politik geforderten Ausstiegs aus der Braunkohle sind weitere der nun noch 390 Arbeitsplätze und die Existenz von Romonta in Gefahr. „Wir wollen diesen Standort bis 2030 mit der Montanwachsproduktion weiterführen, ungestört und ohne Probleme“, appelliert Uwe Stieberitz an die Politik. Das Unternehmen habe Visionen, die auch weit nach 2030 reichen.

Wenn Silvio Jacob vom Aussichtspunkt aus über den Tagebau blickt, macht er das aufgrund der politischen Situation mit Sorgen - aber auch erfüllt mit Stolz. In der Grube sind alle technologischen Abläufe wieder hergestellt. „Unser Tagebau hat sich wunderbar entwickelt“, meint er. Es gebe einen Kohlevorrat bis zum Jahr 2030, wenn nicht sogar bis 2035. (mz)

Der Betriebsratsvorsitzende Silvio Jacob zeigt Besuchern den Tagebau Amsdorf.
Der Betriebsratsvorsitzende Silvio Jacob zeigt Besuchern den Tagebau Amsdorf.
Jürgen Lukaschek
In der Leitwarte bei Romonta
In der Leitwarte bei Romonta
Jürgen Lukaschek