Ein Ort liest Sandersleben meldet sich zu Wort
Auf einer Veranstaltung ergreifen die Bürger Sanderslebens in der vollbesetzten Turnhalle das Wort.

Sandersleben/MZ - Dorthin gehen, wo die Menschen sind – das hat man als Absichtserklärung aus der Politik viele Male gehört. Der Satz ist reichlich abgegriffen. Und bleibt oft folgenlos. Wenn nun aber doch jemand zuhören will? Die Fotografin und hallesche Hochschullehrerin Stephanie Kiwitt hat es getan, unterwegs mit dem Mandat des in Halle ansässigen Medienlabors Werkleitz sowie der Agentur für Aufbruch – dabei geleitet von eigenem Interesse und Empathie.
Bildliche Erkundungen
Stephanie Kiwitt hat viel fotografiert im Umkreis, es gab danach auch eine bemerkenswerte Ausstellung ihrer Bilder im Köthener Schloss. Aber die Künstlerin hat nicht nur bildliche Erkundungen angestellt, sondern auch Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern aus Sandersleben am Rande des Mansfelder Landes geführt.
Diese Texte, zu einer Collage für eine Szenische Lesung bearbeitet, gab es jetzt in der voll besetzten Turnhalle des Ortes zu hören. Ein Fall, der in mehrerlei Hinsicht seinesgleichen sucht. Die Leute vor Ort haben ihre anfängliche Scheu vor der „Fremden“ überwunden und keiner hat aus seinem Herzen eine Mördergrube gemacht. Damit nicht genug: Die Frauen und Männer stehen nun mit ihrem öffentlichen Vortrag dafür ein. Und sprechen für ihre Stadt, die ihnen abgehängt und vergessen zu sein scheint.
Es sind zunächst starke, drastische Befunde über den Zustand des 1.400-Seelen-Ortes, die es in 45 spannenden Minuten zu hören gibt. Später aber auch Liebeserklärungen. „Die Stadt erstickt im Dreck“, sagt einer. „Sandersleben können sie zuscheißen“, meldet ein anderer. Erinnerungen an früher kommen hoch: Eine Drogerie gab es, mehrere Fleischer, ein Kino. Und fünf Kneipen! Immerhin, den Bahnhof haben sie noch, die Bibliothek, die schöne Landschaft, Gärten und neben verfallenen auch ansehnliche Häuser.
Es wird doch angepackt
Was für Sandersleben spricht: „Ich liebe es, dass ich hier alle kenne, man guckt einander an und grüßt“, aber „viele schließen sich ein und schotten sich ab.“ Andere nicht. Sie versuchen, das Vereinsleben in Gang zu halten. „Wenn Not am Mann ist, kommen die Leute und packen an.“ Auch wenn sie meckern. Und aus Angst vor Unüberbrückbarem lieber nur im Privaten über Politik reden wollen.
Einmal heißt es: „Die (also wir) können alle herkommen, hier kostet das Wohnen fast nichts!“ Und wenn man die Leute nun beim Wort nähme?