1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Eisleben
  6. >
  7. Beten statt Business: Nonne im Kloster Helfta: Von der Managerin zur Nonne

Beten statt Business Nonne im Kloster Helfta: Von der Managerin zur Nonne

Von Magdalena Kammler 30.09.2017, 10:00
Aus einer Managerin in der Automobilbranche ist Schwester Mechtild im Kloster Helfta geworden.
Aus einer Managerin in der Automobilbranche ist Schwester Mechtild im Kloster Helfta geworden. Stedtler

Helfta - Ab und zu zupft sie ein Blatt von einem Baum und spielt damit in ihren Händen. Sie spaziert durch den Klostergarten des 15 Hektar großen Geländes und geht beschwingt durch das knöchelhohe Gras während sie erzählt.

So viele Silben wie an diesem Vormittag kommen selten aus ihr heraus. Der Alltag von Schwester Mechtild wird von Ruhe bestimmt. Und Stille. Stille, in der sie betet oder arbeitet. Gesprochen wird, wenn es nötig ist, wenn jemand das Gespräch sucht.

Die 57-jährige Nonne lebt im Zisterzienserinnenkloster Helfta in Eisleben (Mansfeld-Südharz). Mit ihren Gelübden hat sie sich bewusst dem katholischen Glauben hingegeben. Gehorsam, Keuschheit und Armut sind ihre Eckpfeiler im Leben. Tag für Tag. Das war allerdings nicht immer so.

Nonne im Kloster Helfta: Abschied vom früheren Leben

Bis vor 15 Jahren arbeitete die gebürtige Darmstädterin als Managerin für internationale Konzerne wie BMW und McDonald's. Zu ihrem Leben gehörten ein rotes Cabrio mit rotschwarzen Sitzen, adrette Kleidung und ein Spitzengehalt. Sie betrat morgens 8 Uhr das Büro und verließ es nicht selten erst nach zwölf Stunden.

Heute muss sie noch früher aufstehen. Ihr Alltag beginnt im Kloster 4.45 Uhr und endet gegen 21 Uhr. Dennoch: „Ich möchte mein früheres Leben nicht mehr leben.“

Für die Mutter war es ein Schock, als die Tochter damals ins Kloster ging. „Sie hat sich Vorwürfe gemacht, etwas falsch gemacht zu haben. Denn in der Gesellschaft verbinden viele doch immer noch ein Scheitern, wenn jemand ins Kloster geht.“

Heute akzeptiere die Mutter diese Entscheidung. „Sie hat gemerkt, dass es mir gut tut.“ Während Schwester Mechtild erzählt, klingt ihr bayerischer Dialekt durch, der etwas Idyllisches vermittelt, besonders wenn sie das „R“ rollt und ihre Stimmbänder sich beschwingt wie ihre Schritte bewegen. Dazu ihre zarten Gesichtszüge im Seitenprofil.

In diesem Moment ist es schwer vorstellbar, dass diese Frau einmal eine Managerin war, die sich in einer Welt voller Männer durchzusetzen wusste. Irgendwann war ihr diese Welt zu materiell und die Frage nach dem, was am Ende bleibt, führte sie zurück zu ihren katholischen Wurzeln.

Von der Managerin zur Nonne im Kloster Helfta: Beim Karrierestart  erfolgreich, ungebunden und gesund

Schwester Mechtild wird Anfang der 1960er Jahre in Darmstadt geboren. Wenige Jahre später zieht die Familie ins bayerische Leipheim bei Ulm, dort verbringt die heutige Nonne ihre Kindheit und Jugend. Als Älteste von drei Kindern macht die junge Frau zunächst ihren Schulabschluss und beginnt eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin.

Über den zweiten Bildungsweg holt sie ihr Abitur nach und wechselt in die freie Wirtschaft. Sie beginnt als Assistentin der Geschäftsführung und arbeitet sich ins mittlere Management eines Autoherstellers hoch. Sie lebt eigentlich ein unabhängiges Leben: ist erfolgreich, ungebunden und gesund.

Der Job fordert sie und sie genießt das. Den teuren Firmenwagen, die schicken Kleider, das Make-up und die berufliche Verantwortung. „Ich hatte eine gute Zeit bei BMW.“ Eine Familie gründen, hätte sie sich vorstellen können. Allerdings sei ihr auch eine gewisse Distanz und Freiheit in der Beziehung zu anderen wichtig gewesen.

Mit der Zeit beginnt sie das Materielle in ihrem Leben zu hinterfragen, die Vergänglichkeit dessen und auch die Arbeit im Management. „Ich hatte damals zwar viel Geld, aber keine Zeit, um es auszugeben.“ Heute hat sie kein Geld, aber dafür Zeit, auf die sie - wie das Geld - jedoch verzichtet. Für andere. Sie hat weniger und ist glücklicher.

Auf dem Klostergelände ertönen leise Gesänge aus der Kapelle neben dem Hauptschiff der romanischen Kirche, die nach der Wende wieder aufwendig restauriert wurde. Hinter ihr verbirgt sich der große Garten, der an die weltliche Welt grenzt.

In der Mittagspause spaziert Schwester Mechtild jeden Tag mit Klosterhund Merry durch diese Welt. Über den Schäferhund komme sie ins Gespräch mit Menschen, für die Kirche und Glaube Fremdworte sind und vielleicht auch ein Leben lang bleiben werden. Der Nonne gehe es dabei um die Begegnung: „Mir liegen diese Menschen am Herzen.“

Oft entstehen Bekanntschaften oder Freundschaften, Menschen fragen sie nach ihrem Rat oder rufen sie an. „Ich gebe mein Leben hin an Gott, damit er es unseren Priestern sowie den Ostbürgern, die während der DDR-Zeit viel Leid erfahren haben, zum Heil werden lässt.“

Und warum ein Kloster ausgerechnet im atheistisch geprägten Ostdeutschland? Der Glaube an Gott begleitet die Augsburgerin seit ihrer Geburt, zwischendurch war diese Bindung mal stärker und mal schwächer.

Als sie eines Abends einen Bericht über Kloster Helfta sieht, beschäftigt das die damals 42-Jährige. Ihre Gedanken um den Glauben und wie sie ihr Leben ändern kann, werden nun konkret. Wäre dieser Fernsehbeitrag nicht gelaufen, wäre es vielleicht ein anderes Kloster geworden. Helfta und die damit verbundene Renaissance des Klosterlebens nach der Wende haben sie jedoch besonders beeindruckt.

Wenn Schwester Mechtild nicht gerade mit Hund Merry im Ort unterwegs ist, kümmert sie sich mal um den Klosterladen, mal um Spendenaquise oder auch Gästeführungen im Haus. „Ich weiß nie, was der nächste Tag bringt.“ Früher ließ sie morgens im Auto den Tag vor ihrem Auge Revue passieren - plante, organisierte, bestimmte. Nun hat sie ein - von außen betrachtet - fremd bestimmtes Leben. Allerdings spüre sie ein Glück in sich, das sie vorher nicht kannte.

Wie wird man eigentlich Nonne?

Am Schwierigsten fiel ihr im Kloster nicht der Gehorsam, sagt die Frau, die nach Unabhängigkeit und Freiheit strebt. Weil sie sich innerlich frei fühle. Am Schwierigsten war tatsächlich der Verzicht auf Kosmetika. Eine Gewohnheit, die sie erst lernen musste, abzulegen.

Und wie wird man Nonne? Sechs Monate Probezeit, Warten auf die Erlaubnis der Priorin, vier weitere Jahre der Gelübdeprüfung - das bedeutet Keuschheit, Armut, Gehorsam sowie die Verpflichtung, den Rest des Lebens in Helfta zu verbringen - und am Ende eine geheime Wahl der Mitschwestern.

Wer nur ein ruhiges Leben oder eine Ersatzfamilie suche, werde in dieser Zeit schnell das Weite suchen. Momentan leben zwölf Schwestern im Kloster, neun von ihnen haben ihr Gelübde abgelegt. Drei sind auf dem Weg dahin. „Man muss wirklich Gott suchen wollen.“ Der innere Frieden zähle. Für sie bedeute dieser eben Gott.

An ihren freien Tagen - davon hat sie 21 im Jahr - fährt die Nonne oft nach Bayern und trifft dort Familie und Freunde. Die Beziehungen haben sich zum Teil verändert. „Manche Freunde erzählen mir mehr von ihren Nöten.“ Manchmal strenge sie der Besuch in der Heimat aber auch an. Das ständige Reden ist sie nicht mehr gewohnt. „Worte können unüberlegt sein oder verletzen.“

Als Managerin sei sie selbst oft hart gewesen. Heute überlege sie, wie sie die Dinge formuliert. Probleme werden nicht totgeschwiegen, allerdings schaffe Stille Raum für Reflexion. Ob sie nun alles erreicht habe im Leben? „Hoffentlich nicht“, sagt die Frau, die beim Spazieren ab und zu die Blätter vom Baum zupft. (mz)