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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Barbarossa wird missbraucht

Von WOLFRAM BAHN 21.06.2011, 18:22

KYFFHÄUSER/MZ. - Als der schwäbische Staufer-Herzog Friedrich, genannt Barbarossa, im Jahre 1155 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wird, ahnt er nicht, für welche Verbrechen er Jahrhunderte später herhalten muss. Adolf Hitler wählt ausgerechnet "Barbarossa" als Decknamen für den Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion. Am Mittwoch vor 70 Jahren begann die Operation, die seither mit dem Namen des Kaisers verbunden ist, der einer Sage nach in einer Höhle des Kyffhäusergebirges ruhen soll bis "des Reiches Herrlichkeit einst wieder kommen wird", wie es der Dichter Friedrich Rückert im Jahre 1817 in einer Ballade beschreibt.

Geschlecht mythisch überhöht

Es ist die Zeit, in der das Herrschergeschlecht der Staufer mythisch überhöht wird, um besonders die deutschnationale Sehnsucht nach einem einheitlichen Reiche zu befriedigen. Allen voran Kaiser Barbarossa, der seinen Beinamen in Italien wegen seines rötlich schimmernden Bartes erhielt. Dorthin war er etliche Male gezogen, um die nach Unabhängigkeit strebenden Städte in Oberitalien in die Schranken zu weisen oder um dem Papst in Rom zu helfen.

Doch der Staufer Friedrich I. konnte die Macht der selbstbewussten Städte nicht brechen. Was letztlich auch Hitler und den Nazis symbolhaft bei der "Operation Barbarossa" nicht gelingt. Und es scheint wie ein böses Omen, dass der sagenumwobene Staufer-Kaiser im Jahre 1190 beim Dritten Kreuzzug auf dem Weg ins Heilige Land in einem Fluss ertrinkt.

Weisung schon 1940 erteilt

Denn auch Hitlers Eroberungszug um "Lebensraum im Osten" für die "arische Herrenrasse", so die ideologische Verbrämung des Völkermords, scheitert. Er selbst bringt sich am 30. April 1945 um, als die Rote Armee in den Vororten von Berlin steht. Der "Fall Barbarossa", den Hitler als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht mit seiner "Weisung Nr. 21" bereits 1940 einleitet, ist der Anfang vom Ende der Naziherrschaft in Deutschland.

Zwischen 24 und 40 Millionen Bewohner der Sowjetunion sowie etwa 2,7 Millionen deutsche Soldaten bezahlen diesen Wahnsinn mit ihrem Leben. Dieser Krieg gilt wegen seiner verbrecherischen Ziele, Kriegführung und Ergebnisse als der "ungeheuerlichste Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg, den die moderne Geschichte kennt", wie Ernst Nolte in seinem Buch "Der Faschismus in seiner Epoche" (Piper Verlag, München 1963), feststellt.

Von alledem noch weit entfernt sind jene national gesinnten Mitglieder des Deutschen Kriegerbundes, die sich am 16. Juni 1896 auf dem Kyffhäuser versammelt haben, um das Kaiser-Wilhelm-Denkmal einzuweihen. Nach dem Tode von Wilhelm I., preußischer König und erster deutscher Kaiser, im Jahre 1888 bricht überall im Land ein wahrer Verehrerkult um den Mann mit dem markanten Rauschebart aus. Obwohl sich der Hohenzoller erst durch Druck von Reichskanzler Bismarck am 18. Januar 1871 zum Kaiser ausrufen ließ, sehen viele in ihm den Reichseiniger, der die Barbarossa-Sage erfüllt und den "Kaiser Rotbart erlöst hat", wie der Schriftführer des späteren Kyffhäuserbundes verkündet. Aus diesem Grund wird auch Barbarossa auf dem Kyffhäuser verewigt.

Sprengung erfolgte nicht

Diesem Kult um die Staufer konnten sich auch die Nationalsozialisten nicht entziehen, obwohl Hitler keine Rückkehr zu einer Monarchie wollte. Der abgedankte Wilhelm II. wartete denn auch vergeblich in seinem Exil in Holland auf eine Nachricht aus der Reichshauptstadt. Anders sah es beim toten Barbarossa aus. Wenngleich dessen Geschichtsbild gehörig verfremdet werden musste, denn nach Osten hat es ihn nie gezogen.

Es war wohl der universelle Machtanspruch der Staufer, den die Nazis für sich nutzen wollten. Hitler selbst besuchte in den Jahren 1934 und 1938 den Kyffhäuser, wo er die mittelalterliche Burg Kyffhausen ausgraben ließ. Auch eine SS-Division "Hohenstaufen" ließ er gründen. Barbarossa konnte sich nicht dagegen wehren.

Nach Kriegsende wäre es fast um das Kyffhäuser-Denkmal geschehen, als Kommunisten aus Thüringen es sprengen wollten. Russische Offiziere wehrten das Ansinnen ab. DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl entschied schließlich 1951, dass "eine Verschrottung des Kyffhäuser-Denkmals nicht in Betracht kommt". Fortan wird hier der preußische Revanchismus angeprangert, bis 1990 auch dieses Kapitel vorbei ist.